Religion als Thema
"Tag der offenen Gesellschaft": Lagerfeuer-Plauderei über Allah und die Welt
Foto: Sandra Limpert
05.07.2021 / TANN (RHÖN) -
Meinungsfreiheit, Glaubensfreiheit, Gleichberechtigung – dafür steht der bundesweite Tag der offenen Gesellschaft am dritten Samstag im Juni. In Tann (Landkreis Fulda) haben sich das AWO-Familienzentrum, die evangelische Kirchengemeinde, der Kultur- und Geschichtsverein (KGV) sowie "Tann Aktiv" mit verschiedenen gemeinsamen Aktionen zum Thema "Religiöse Vielfalt in Tann – früher und heute" beteiligt.
Im essbaren Garten des Vereins Tann Aktiv konnten Bücher getauscht oder gegen Spende erworben werden. "Um sich eine Meinung zu bilden, muss man sich mit verschiedenen Perspektiven auseinandersetzen. Wie kann man das besser als durch Lesen?!", meinte Linda Kalb-Müller, die als Gemeinwesen-Koordinatorin die Veranstaltungen organisierte.
Spuren jüdischen Lebens
Als eine über Literatur hinausgehende Möglichkeit zur Horizonterweiterung hatte das Familienzentrum zu einem Stadtrundgang auf Spuren jüdischen Lebens in der Rhönstadt eingeladen. Antje Dänner und Klaus Schuhmacher vom KGV berichteten den teilnehmenden Konfirmanden und Konfirmandinnen aus Tann vor den ursprünglichen Gebäuden, ihre Bewohner und deren Schicksale, zum Beispiel das von Albert Moses. Der junge Mann hatte zu den Gründern des Tanner Fußballvereins gehört, und doch hatte man ihn – vermutlich nachträglich in der Nazi-Zeit – aus den Mannschaftsfotos retuschiert. Genauso wenig tauchen die Namen der im Ersten Weltkrieg gefallenen Juden auf dem Gedenkstein in der evangelischen Kirche auf. "Warum hat die Erinnerung an den Umgang mit den jüdischen Mitbürgern für unser heutiges Zusammenleben Bedeutung?", fragte Pfarrerin Heike Dietrich und erläuterte den Jugendlichen: "Auch bei uns leben Menschen aus anderen Kulturen. Offene Gesellschaft bedeutet, ihnen nicht mit Verachtung zu begegnen, sondern mit Neugier auf das, was sie mitbringen."Islam im Fokus
Während angesichts der Tageshitze die Konfirmandengruppe beim Stadtrundgang unter sich blieb, folgten einige Tannerinnen und Tanner der Einladung zum abendlichen Austausch mit der Islamwissenschaftlerin Maka Hussein am Lagerfeuer im essbaren Garten. Die 29-jährige Fuldaerin, deren Eltern aus Somalia stammen, hob zahlreiche Gemeinsamkeiten zwischen Christentum und Islam hervor. Eine Konfirmandin erkundigte sich nach der islamischen Zeitrechnung. Die Erwachsenen bewegten dagegen eher kritische Fragen – zum Rechtssystem, der Stellung der Frau oder der Gewaltbereitschaft radikaler islamischer Gruppen. Hussein erläuterte, dass vieles, was dem Islam zugeschrieben werde, in Wirklichkeit zu politischen Zwecken missbraucht oder kulturell bedingt sei. "Dies habe ich als Muslimin im Verlauf meiner Arbeit in der Flüchtlingshilfe mit Menschen aus verschiedenen Ländern immer wieder selbst erfahren."Eine Frau wollte wissen, was es denn nütze, wenn die islamischen Theologen ihre Religion friedfertig auslegten, solange diese Botschaft den Gläubigen unbekannt sei. Dem widersprach Hussein, indem sie betonte, dass der Großteil der Muslime den Koran als Leitfaden für ein maßvolles und barmherziges Leben und den "Dschihad" als Kampf mit sich selbst verstehe. Pfarrerin Dietrich warf ein, dass es auch in der Bibel Psalmen gebe, die dazu aufriefen, die Feinde niederzumetzeln, "aber diese Passagen umschiffen wir in den Gottesdiensten." Für religiöse Toleranz plädierte der Konfirmand Kevin, als sich das Gespräch um das Kopfbedeckungsgebot drehte: "Ich finde, jeder soll seine Religion behalten. Es ist doch egal, ob jemand Kopftuch trägt oder gern Schweinefleisch isst." Zuhörerin Ulrike Bühlow formulierte zum Schluss an Maka Hussein gewandt: "Ich hoffe, Sie können dazu beitragen, radikale Tendenzen einzudämmen, sodass Christen und Muslime in Frieden zusammenleben." (pm) +++