Festspiele: Komödiantisches Kabinettstück

Spiel, Satz und Sieg: Vergnügliche vierte Premiere mit der EXTRAWURST

Auf der Jahreshauptversammlung des Tennis-Clubs TuS Eichhof 09
Fotos: Carina Jirsch

06.07.2021 / BAD HERSFELD - Der Premierenreigen der 70. Bad Hersfelder Festspiele schloss am Sonntagabend mit einem komödiantischen Kabinettstückchen: Nach dem "Club der toten Dichter", "Momo" und dem Musical "Goethe" auf der großen Bühne der Stiftsruine ging es diesmal nicht auf die gewohnte Nebenspielstätte von Schloss Eichhof, sondern in die Tennishalle "Auf der Unteraue", wo – quasi als Nachtisch – eine EXTRAWURST serviert wurde.



Worum geht’s? Wir befinden uns auf der Jahreshauptversammlung des Bad Hersfelder Tennis-Clubs TuS Eichhof 09. Das Publikum stellt die Vereinsmitglieder dar und vorne auf dem Podium werden die letzten Tagesordnungspunkte abgehandelt. Der Vorsitzende Dr. Heribert Bräsemann (gespielt von Carsten Hentrich) wird ebenso im Amt bestätigt wie sein Vize Matthias Scholz (Dirk Hoener). Nun gilt es noch, über die Anschaffung eines neuen High-Tech-Grills für die Sommerfeste abzustimmen – und damit nimmt die Katastrophe ihren Lauf.

Um ihrem Doppel-Partner Erol Oturan (Parbet Chungh), dem einzigen Türken im Club, einen Gefallen zu tun, schlägt Melanie Pfaff (Laura Puscheck) vor, gleich noch einen zweiten Grill anzuschaffen. Denn Erol ist Muslim, weswegen sein Grillgut aus Glaubensgründen nicht neben normalen Schweinsbratwürstchen zubereitet werden darf. Und so entbrennt eine Debatte um die Notwendigkeit eines "Türkengrills", an der sich auch Melanies Gatte Torsten Pfaff (Johann Anzenberger) rege beteiligt.

Die EXTRAWURST erinnert im Aufbau ein wenig an Yasmina Rezas "Kunst" oder "Der Gott des Gemetzels", wo sich aus einer an und für sich harmlosen Ausgangssituation ein Schlagabtausch entwickelt, der immer mehr eskaliert. Und so fallen in der scheinbar heilen Welt des TuS Eichhof 09 mehr und mehr die Masken. Die Ressentiments der Vereinsmitglieder, die lange unausgesprochen blieben, brechen nun hervor.

Ebenso respektlos wie komisch stoßen Atheisten und Gläubige und Deutsche und Türken frontal aufeinander. Und allen wird klar: Es geht um mehr als den Grill. Es geht darum, wie wir zusammenleben. Zumal die Grenzen zwischen "rechts und links", "tolerant und intolerant", "religiös und ungläubig" fließender sind, als man denkt …

Regisseurin Bettina Wilts führt das darstellende Personal flott durch die Handlung, in der kübelweise beißender Spott in stets wechselnden Allianzen ausgegossen wird. Das alles ist herrlich politisch unkorrekt, und das Publikum kommt aus dem Lachen kaum heraus. Kein Wunder: Die Komödie kommt aus der Feder der beiden Comedy-Autoren Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob, die unter anderem für die "Wochenshow", "Ladykracher" und "Stromberg" geschrieben haben. Auf etwa demselben Humor-Niveau bewegt sich auch die EXTRAWURST.

Ob sich unsere fünf Streithähne am Ende wieder zusammenraufen können, wird wegen der kommenden Aufführungen an dieser Stelle nicht verraten. Nach eineinhalb kurzweiligen Stunden gab es für das gut aufeinander eingespielte Ensemble stehende Ovationen und begeisterten Applaus. – Spiel, Satz und Sieg! (Matthias Witzel) +++


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