Der Stadtpfarrer bei O|N

Impulse von Stadtpfarrer Buß: Was ist in meinem Leben wesentlich?

Stadtpfarrer Stefan Buß.
Foto: Hendrik Urbin

19.06.2021 / REGION - Mit einer klaren Aufforderung beginnt ein Text des Propheten Jesaja: "Sucht den Herrn, er lässt sich finden, ruft ihn an, er ist nah!" (Jes. 55,6) Gottsuche – ist das heute noch ein Thema? Treibt das in einer von Leistung, Erfolg und Gewinnmaximierung geprägten Zeit noch jemanden um? Vor einigen Jahren besuchte ich das Kloster Reichenau am Bodensee, einer Wiege abendländischer Kultur.



Im dortigen Kloster lebten um das Jahr 850 – man höre und staune! — 134 Mönche! Was bewog so viele, in ein Kloster einzutreten? Es mögen viele individuelle Gründe gewesen sein, einer der Hauptgründe lautet: "QUARERE DEUM": Gott suchen und sich von ihm finden lassen. "In der Wirrnis der Zeiten, in der nichts standzuhalten schien, wollten sie das Wesentliche tun – sich bemühen, dass immer gültige und Bleibende, das Leben selber zu finden. Sie waren auf der Suche nach Gott. Sie wollten aus dem Unwesentlichen zum Wesentlichen, zum allein wirklich Wichtigen und Verlässlichen kommen", so drückte es Papst em. Benedikt bei seinem Pastoralbesuch in Paris im Jahr 2008 aus.

Das Wesentliche suchen

Gott suchen: Das hat zwei Seiten: die Aktive der Gottsuche und die Passive des Sich-Finden-Lassens. Man könnte auch sagen: Der Mensch, der sich auf die Suche nach Gott begibt, muss mit der freudigen Möglichkeit rechnen, dass er von Gott gefunden wird, dass Gott ihm bei der Suche auf dem Weg entgegenkommt. Gott suchen heißt das Wesentliche suchen. Das wirft die ganz persönliche Frage auf: Was ist in meinem Leben wesentlich, wichtig, ja endgültig? Ich gebe zu: Diese Frage stellt man sich nicht alle Tage. Sie stieg in mir während des Lockdown wieder neu auf: Was tue ich eigentlich? Warum tue ich, was ich tue? Bringt das, was ich tue mich Gott näher oder hält es mich von ihm fern? Habe ich bei all meinem Tun auch mein Lebensende im Blick? Ist mir bewusst, dass am Ende der Tag anbricht, an dem ich, metaphorisch gesprochen, springen muss: vom Diesseits ins Jenseits?

Quer durch 2000 Jahre Kirchengeschichte gab es viele Frauen und Männer, die sich nebst aller irdischen Dinge um das Leben der Auferstehung gesorgt haben. Ihnen war bewusst, dass man mit Fleiß und Können, mit Geld und Ideen große Werke schaffen, jedoch nicht das ewige Leben erlangen kann. Der Dominikanermönch Heinrich Seuse (1295 – 1366, Mystiker) war z. B. ein solcher ernsthafter Gottsucher des 14. Jahrhunderts, der mahnt, im Heute sich "für den Sprung in die offenen Arme Gottes vorzubereiten. Jetzt gilt es Anlauf zu nehmen und am letzten Lebenstag zu springen. Jetzt gilt es. Hier und heute. Wer am Ende nicht vorbereitet ist, dem fehlt der Schwung und die Kraft zum Sprung". Und Sie wissen ja: knapp daneben ist leider auch vorbei! (Stefan Buß) +++

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