Hausarzt-Wut auf Kassenärztliche Vereinigung
"Zu wenig Abstand zwischen Impfungen ist medizinischer Unsinn"
Zwischen zwei Impfungen mit AstraZeneca muss ausreichend Zeit vergehen, sonst ist die Wirkung eingeschränkt
Archivfoto: O|N/Martin Engel
18.05.2021 / REGION -
Wie OSTHESSEN|NEWS berichtete, fordert die Kassenärztliche Vereinigung Hessen eine Verknappung der Zeitspanne zwischen den beiden Corona-Impfterminen bei Haus- und Fachärzten. So sollen mehr Menschen in kürzerer Zeit geimpft werden und sorgenfrei in den Sommerurlaub starten können. Mit dem Slogan "Geimpft sicher durch den Urlaub" weckt die Kassenärztliche Vereinigung ganz falsche Erwartungen. Die Ärzte sehen sich nicht in der Pflicht, Urlaub zu ermöglichen.
Ralph Hönscher, Allgemeinmediziner aus Petersberg (Landkreis Fulda) und Vorstandsvorsitzender des Gesundheitsnetzwerks Osthessen findet das bedenklich: "Die medizinisch nicht sinnvollen Vorschläge der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen ohne vorherige Rücksprache mit den Haus- und Fachärzten machen mich fassungslos."
Der Petersberger weiter: "Es hat einen medizinischen Sinn, dass es insbesondere bei Vektor-Impfstoffen einen Abstand von vielen Wochen zwischen der ersten und zweiten Impfung gibt. Die Wirksamkeit ist einfach besser." Anfänglich lag der empfohlene Abstand bei dem AstraZeneca-Vakzin bei neun Wochen, dann stellte sich heraus, dass zwölf Wochen Abstand zwischen den beiden Impfungen den bestmöglichen Impfschutz garantieren. Hönscher versteht, dass es in der aktuellen Lage schwierig ist jedem gerecht werden zu wollen, das dürfe aber nicht zu Lasten eines bestmöglichen medizinischen Schutzes gehen: "Sonst wägen wir uns in falscher Sicherheit." Hönscher wird auch weiter die zwölf Wochen Abstand einhalten.
Kapazitäten fehlen
Zudem weist Hönscher auf ein weiteres Problem der Forderung der Kassenärztlichen Vereinigung hin: "Es ist unrealistisch jetzt aufeinmal die doppelte Menge wie geplant durchzuimpfen. Dazu fehlen uns Hausärzten die Kapazitäten. Wir haben zwischendurch auch noch Patienten zu betreuen - mit ihren ganz gewöhnlichen Leiden wie Diabetes und Bluthochdruck. Das darf nicht auf der Strecke bleiben!" Hönscher hat den Verdacht, dass man durch das schnelle Verimpfen auch den Impfstoff vor einem baldigen Ablauf bewahren wolle: "Doch dann sollte man lieber - sofern Kapazitäten verfügbar - mehr Leute erstimpfen." Mit dem Impfstoff von AstraZeneca hat er an sich kein Problem: "Auch wenn das immer mal wieder anders rüberkam, das ist ein guter Impfstoff." Der Allgemeinmediziner mahnt alle ungeduldigen Bürger Ruhe zu bewahren: "Natürlich haben wir uns alle mal wieder einen Urlaub verdient. Wir dürfen aber nicht die vollen Intensivstationen vergessen und all die Menschen, die in den vergangenen Monaten gestorben sind, nur weil jetzt der Sommerurlaub vor der Türe steht. Prio 1 müssen weiterhin die Gesundheit und die Solidarität untereinander haben, erst danach darf der Urlaub kommen."
Auch GNO-Aufsichtsratschef Dr. Jörg Simon hält nicht viel von einer Verkürzung zwischen den Impfungen mit dem Impfstoff des Herstellers AstraZeneca: "Das ist medizinischer Unsinn." Dass sich die Menschen langsam wieder eine Urlaubsperspektive wünschen, halte er aber für "menschlich nachvollziehbar". Simon: "Mein Wunschtraum wäre es, dass wir so viel von den mRNA-Impfstoffen von Biontech und Moderna hätten, sodass wir alle Menschen damit impfen könnten. Bei diesen Impfstoffen halte ich eine Verkürzung zwischen den beiden Impfungen von sechs auf drei Wochen für medizinisch vertretbar." (tby) +++