Prozess mit schwieriger Logistik

Bandendiebstahl oder Zufallsklau? - sechs Angeklagte, mehrere Tatversionen

Die Anklagebank im Sitzungssaal im Polizeipräsidium ist dicht besetzt von den fünf Angeklagten und ihren Anwälten
Fotos: Martin Engel

12.05.2021 / FULDA - Wegen der Vielzahl von Prozessbeteiligten bei der Verhandlung gegen sechs rumänisch-stämmige Angeklagte unter Einhaltung der Hygienevorschriften musste das Landgericht Fulda in einen großen Saal im Polizeipräsidium ausweichen. Den Männern zwischen 19 und 31 Jahren wirft die Staatsanwältin vor, gemeinsame Ladendiebstähle in wechselnder Besetzung mit hochwertiger Beute begangen zu haben. Von Juli bis September 2020 waren sie in Textil-, Schuh- und Lebensmittelgeschäften sowie Elektronikläden in Fulda, Eichenzell, Kassel und Lohfelden nach ähnlichem Tatmuster unterwegs gewesen und hatten Waren im Gesamtwert von rund 20.000 Euro mitgehen lassen. 



Bei den gemeinsamen Beutezügen gaben sich die Täter nicht mit Billigklamotten ab, sondern packten offenbar gezielt hochpreisige Markenware in dafür präparierte Tüten oder entfernten professionell die Sicherungsetiketten. Während der Älteste als Fahrer und Aufpasser fungierte, die Kumpane mit dem Handy warnte und die Verkäufer:innen gezielt von seinen Kumpels ablenkte, nahmen die anderen stapelweise Diebesgut mit. Größere Mengen Kaffee und Alkohol nahmen sie in einem Lebensmittelmarkt am Rhönhof in Eichenzell mit. Stangenweise Zigaretten klauten sie in einem Großmarkt, indem sie sie unter besonders dehnbare Bodys unter ihrer Kleidung versteckten. In einem Sportgeschäft in den Kaiserwiesen hatten sie es besonders auf teure Markenturnschuhe abgesehen.

Trotz aller Professionalität fiel das kriminelle Treiben schließlich einem Ladendetektiv auf, der drei der Täter beim Diebstahl in einem Textilgeschäft im Fuldaer Emaillierwerk beobachtet und anschließend bis zu ihrem Wagen verfolgt hatte. Voller Panik ließen die Täter Auto und Beute zurück, flüchteten zu Fuß und fuhren mit der Bahn nach Kassel zurück. Doch das hielt sie nicht von weiteren Tatbegehungen ab. So nahmen sie im September in Baumärkten in Kassel und Lohfelden teure Bohrmaschinen und Sicherheitskameras mit.

"Glauben Sie das eigentlich selbst?"


Am Dienstag äußerte sich der jüngste der Angeklagten zu den Tatvorwürfen. Eine Verabredung zu den Diebstählen stritt er ab und führte als Grund für einen Klamottenklau an, er habe kein Geld gehabt, seine schwangere Freundin habe teure Tabletten gebraucht, deshalb habe er die Textilien zwar in eine Tüte gepackt, diese dann aber aus Angst, erwischt zu werden, an der Kasse stehen lassen. Der bereits einschlägig Vorbestrafte, der seit 10 Monaten in Untersuchungshaft sitzt, bestritt, "schlechte Absichten" gehabt zu haben. Er habe drei Monate gearbeitet, aber keinen Lohn bekommen, sagte er unter Tränen. Seine Aussagen konterte Richter Becker mit der Frage: Glauben Sie das eigentlich selbst?"

Etwas auskunftsfreudiger war dagegen der 31-Jährige, der eine "Erklärung mit Geständnischarakter" durch seinen Anwalt verlesen ließ. Darin wurde die Verabredung zu den jeweils arbeitsteiligen acht Diebestouren beschrieben. Die erbeuteten Waren seien verkauft worden, um mit dem Erlös den Lebensunterhalt zu finanzieren. Fragen wollte er aber nicht beantworten. Es sind noch sieben weitere Verhandlungstage angesetzt, das Urteil soll am 9. Juni fallen. (Carla Ihle-Becker)+++

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