Isabel Hahner berichtet aus Mallorca

"Wir sind erschöpft vom Nichtstun": Corona-Sturm hat Spuren hinterlassen

Isabel Hahner (l.) mit Schauspieler Martin Semmelrogge (r.), der seit Jahren auf der "Insel" lebt
Fotos: privat

25.04.2021 / MALLORCA/FULDA - Die Osterferien sind seit einer Woche beendet und auf der beliebtesten Insel der Deutschen - Mallorca -  zieht man eine erste Bilanz. Zog es doch Tausende "Malle-Pilger" über die Feiertage in den Süden von Europa. Laut den offiziellen Zahlen ist die Corona-Lage auf Mallorca seit Wochen stabil. Doch wie lassen sich Corona-Regeln und Freizeitvergnügen miteinander vereinbaren? Isabel Hahner aus Fulda hat es sich direkt auf der Insel angeschaut.



Die Diskussionen in der Öffentlichkeit waren und sind groß: "unverantwortlich", "nicht angemessen", "zu riskant" … kommt aus dem einen Lager, "du machst es richtig", "dem Trott entfliehen" oder "verständlich" aus dem anderen. Ich gebe zu, dass ich nicht immer sicher war, welchem Lager ich angehöre. Als das Robert-Koch-Institut meine geliebte Insel auf "orange" gesetzt hatte, hat mein Partner im Handumdrehen Flüge gebucht. Ein paar Tage später, es war am Frühstückstisch, kam ein erstes Überdenken der spontanen Buchung. Wir wurden verunsichert, denn der mediale Aufschrei hatte eine recht klare Richtung – und die zeigte nicht gen Süden. Das Ganze änderte sich für uns mit Einläuten der erneuten Ausgangssperre, extrem hohen Inzidenzen in unserer Heimat und weiterhin sehr stabil niedrigen Zahlen auf Mallorca. Ich mache mir gerne mein eigenes Bild, und das gilt auch für die aktuelle Lage auf Mallorca – neutral, subjektiv und möglichst ohne schlechtes Gewissen.

Den zur Einreise notwendigen PCR-Test machten wir beim Deutschen Roten Kreuz, registrierten uns bei der spanischen Einreisebehörde, und schon waren wir bereit. Am Flughafen in Frankfurt am Main herrschte ein sehr genaues und einfach einzuhaltendes Hygienekonzept. Natürlich ist man nie vor der Eigenwilligkeit anderer Passagiere, die Regeln auf ihre Art und Weise interpretieren, sicher – aber hier kann man Flughafenbetreibern oder Airlines keinen Vorwurf machen. Ich persönlich sehe hier meinen eigenen Schutz im Fokus und mache gerne darauf aufmerksam oder verändere meinen Bewegungsradius. Wir empfanden die Abwicklung der Passagiere als gut und trugen konsequent zur Einhaltung der Regeln bei. Es ist nicht der erste Flug, den wir seit Beginn der Pandemie angetreten haben. Bisher haben uns die Airlines Ryanair und Lufthansa befördert und so groß die Unterschiede der beiden Marken sein mögen – beide haben eines gemeinsam: sie setzen die geforderten Hygienemaßnahmen streng um. Die Auslastung der Maschinen war bisher immer überschaubar und so haben wir die Erfahrung gemacht, dass meistens nur zwei Personen eine Dreier-Reihe belegten.

"SOS Tourismo" 

Bei der Hotelsuche fiel auf, dass das Angebot sehr gering war. Fast wie damals, ohne Corona, zu deutschlandweiten Ferienzeiten. Nur wenige Hotels sind aktuell geöffnet, man spricht von maximal zehn Prozent. Hygienebestimmungen, komplexe Regelungen der staatlichen Förderungen und natürlich die Ungewissheit über die nächsten Entwicklungen halten Hoteliers davon ab, kurzfristig zu agieren. "Es ist wichtig, mit guten und erprobten Konzepten die Türen zu öffnen, und das ist nur für wenige Hotels möglich", so Catalina Socias, die ein kleines Finca-Hotel in der Nähe von Ses Salines führt. "Mitarbeiterschulungen, Sicherheitsausrüstung, Außenbestuhlung und das alles im Rahmen der vorhandenen Budgets hindern die Öffnungen." Mittlerweile haben sich unterschiedliche Bewegungen gebildet, die versuchen, auf die Notlage der Tourismusbranche aufmerksam zu machen. Am auffälligsten und stärksten ist die Kampagne mit dem Titel "SOS Tourismo". Banner und Plakate mit dem schwarz-roten Aufdruck hängen überall auf der Insel an geschlossenen Türen und Fenstern.

Im Robinsonclub Cala Serena war man froh, dass endlich wieder Gäste da sein können. "Wir haben seit Ende März geöffnet, und das tut uns allen richtig gut", sagt Jan-Hendrik Karliczek. Er ist seit fast zwei Jahren stellvertretender Clubmanager und ein echter Robin, wie sich die Teammitglieder nennen. "Unsere Robinson-DNA leidet sehr unter den Einschränkungen. Aber wir haben in den Wochen vor der Eröffnung vieles ausprobiert, umgestellt, neu strukturiert und ein System gefunden, mit dem wir unseren Gästen eine wunderschöne Zeit bereiten können." Im Club selbst stand ein medizinisches Team zur Verfügung, dass nach Bedarf Antigen-Schnelltests oder auch PCR-Tests anbot. Bereits beim Check-In wurde man mit allen Hygieneregeln vertraut gemacht und konnte sein Zeit sorglos verbringen.

Der Corona-Sturm hat seine Spuren hinterlassen

Nicht ganz so sorglos waren die Besuche meiner Lieblingsorte auf Mallorca – der Markt in Santanyi, Cala Figuera mit Eintrudeln der Fischerboote am frühen Abend oder der Hafen von Portals Nous. Mein Freund, es ist sein dritter Besuch auf der Insel, fragte regelmäßig mit einem skeptischen Blick: "Ist das hier immer so?" Nein, es ist irgendwie anders. Wie immer ist es malerisch, gemütlich, erholsam. Doch der Corona-Sturm der letzten Monate hat seine Spuren hinterlassen. Gastronomen, Händler, Künstler sind erschöpft vom Nichtstun. "Ich freue mich über jede Kundin und jeden Kunden, der unseren Laden betritt", so Daria Plot, die eine Boutique in Santanyi führt. "Es tut gut, Gespräche zu führen, schöne Kleider zu zeigen, zu beraten – das fehlt uns allen im Team sehr." Die Marktstände in Santanyi sind reduziert. Nicht, weil es der Abstand notwendig macht – Platz wäre genug in den vielen Gassen des malerischen Städtchens. Viele Händler scheuen den Aufwand. Da im Moment zu wenige Besucher kommen, können die Standbetreiber die Kosten nicht decken. Obwohl man doch gerade hier, mit Abstand und an der frischen Luft bummeln, shoppen und genießen kann. Apropos genießen.

Martin Semmelrogge: "Haltet euch an die Regeln, aber habt keine Angst."

Gemeinsam mit Martin Semmelrogge, der seit den 80er Jahren auf der Insel lebt besuchten wir eine Strandbar in Colonia de St. Jordin. "Hier auf der Insel ist das Leben mit der Pandemie erträglich", sagte er. "Wir haben das schöne Wetter, wir können uns draußen aufhalten, wir können dem Corona-Trott entfliehen." Aktuell steht Semmelrogge kurz vor Drehstart für die Serie "Der König vom Ballermann. "Ab morgen bin ich dann erstmal in Quarantäne." Ich fragte ihn, was er den Deutschen hinsichtlich eines Besuches auf Mallorca empfiehlt und die Antwort konnte nichr klarer sein: "Macht euch eure eigene Meinung, das ist im Leben das wichtigste. Haltet euch an Regeln, aber habt keine Angst."

Für mich ist klar – Mallorca ist immer eine Reise wert. Neben der Einhaltung der Corona-Regeln, muss man aber dennoch weitere Dinge berücksichtigen: Die Gastronomie wurde in den vergangenen Wochen um 17 Uhr geschlossen. Daran hat man sich auf Mallorca sehr streng gehalten – nun stehen langsame Öffnungsschritte an, die aber weiterhin der Einhaltung strenger Vorschriften mit sich ziehen. Ab Samstag, so die aktuellen Entwicklungen, wird eine erste Sperrstunde um 17 Uhr bestehen bleiben, die Gastronomie darf dann aber erneut zwischen 20:00 und 22:30 Uhr öffnen. Eine Ausgangssperre bleibt ab 23 Uhr bestehen. Das strenge Öffnungskonzept wird in Mallorca mit System - und ich möchte auch sagen logischem Geschick - vollzogen. Und, es bewährt sich. Indoor ist und bleibt geschlossen, Außengastronomie ist mit Abstand möglich, maximal zwei Haushalte und maximal vier Personen an einem Tisch. Sind Getränke oder Essen noch nicht serviert, bleiben die Masken an.

Aber sind wir doch mal ehrlich, an das Tragen unserer Masken und das Einhalten der Regeln hat man sich mittlerweile gewöhnt. Die Einschränkungen sind nicht nur Schutz, sondern vielmehr auch der Grund, warum wir Folgendes genießen konnten: den Moment, wenn ein Gastronom mit einer Flasche Vino, einer Tapas-Platte und strahlenden Augen an unseren Tisch kommt. Schön, dass wir zusammen auf Mallorca sind! (Isabel Hahner) +++

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