Der Stadtpfarrer bei O|N

Impulse von Stadtpfarrer Buß: "Den Finger in die Wunde legen!"

Stadtpfarrer Buß.
Archivfoto: O|N/Hendrik Urbin

10.04.2021 / FULDA - Wagen sie es, Ihren Finger in oder auf offene Wunden zu legen? Ich habe es nicht gern, wenn andere ihren Finger auf meine wunden Stellen legen. Ich fürchte dann, die Wunden könnten dadurch größer werden oder noch mehr schmerzen. Wunden, die andere mir zugefügt haben, verstecke ich gern. Ich will nicht zeigen, wie verletzt und wie verletzlich ich bin. Und wenn ich anderen Wunden zugefügt habe, dann schaue ich gern darüber hinweg.



Kennen Sie das auch: um Wunden und Verletzungen bei sich oder bei anderen nicht zu sehen, so zu tun, als ob nichts geschehen wäre? Der Apostel Thomas, von dem das Evangelium von Johannes nach Ostern berichtet (Jo. 20, 24-29), steht nach dem Karfreitag in völligem Dunkel und sucht mit ausgestreckten Händen nach Berührungspunkten. Er will erst dann die Auferstehung glauben, wenn er einen handfesten Beweis hat. Und Jesus geht auf seinen Wunsch ein. Nach der Auferstehung erscheint er seinen Jüngern nicht so, als ob gar nichts geschehen wäre. Er zeigt ihnen seine Wunden, die Menschen ihm zugefügt haben. ER kommt durch die verschlossenen Türen der Angst und wünscht ihnen seinen österlichen Frieden (Jo. 20, 19-20). Er zeigte ihnen alle seine Wunden an Händen, Füßen und seinem Herzen. Jesus kann zulassen, dass andere seine Wunden sehen und ihre Finger in sie hineinlegen.

So fordert er Thomas auf: Berühre meine Wunden. Lege deinen Finger in sie hinein und glaube (vgl. Jo. 20,27). Mit dieser Einladung fordert er ihn auf aus seinen Zweifeln heraus zu kommen. Und Thomas öffnet sich für die Begegnung und wird vom Unglauben geheilt. Er fällt vor Jesus nieder und bekennt: "Mein Herr und mein Gott!" (Jo. 20,28). Diese Begegnung beflügelt letztlich auch ihn die Botschaft Jesu in die Welt zu tragen. Ich bin froh, dass es den zweifelnden Thomas gibt, der erst nach handfesten Beweisen glauben will. Ich erkenne mich in ihm. Zweifel lassen tiefer fragen, bringen letztlich nach vorne. Es ist gut, dass Jesus ihn auffordert, die Finger in die Wunde zu legen. Durch Thomas erfahren wir erst, wie Jesus mit seinen Wunden umging. Er zeigt seine Wunden, lässt sie berühren und führt so Zweifelnde zum Glauben. Wie Thomas darf sich jeder Mensch an Jesus herantasten, den Finger in seine Wunden legen, um einen ganz persönlichen Zugang zu Jesus zu finden. Von solchen Berührungen geht heilende Kraft aus. In einer Welt des stummen Nebeneianders, in einer Zeit, wo jede und jeder sich cool gibt, sich bemüht, zum anderen möglichst Distanz zu halten, werden solche Berührungen, die helfen und heilen, die einfach gut tun, immer seltener. Aber auch in ihnen ereignet sich Ostern - Auferstehung. (Stefan Buß) +++

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