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Die Coronakrise als Chance nutzen: Regionale Unternehmer geben Tipps
Fotos: privat/Jürgen Schmücking/privat/Spayze.de/robertgross
17.03.2021 / REGION -
Die Coronakrise belastet Unternehmen und Unternehmer quer durch alle Branchen. Ressourcen und Potenziale liegen brach und können kaum genutzt werden - umso begehrter sind Ratschläge von Unternehmern, die mit kreativen Lösungen in der Pandemie Erfolg haben. Die IHK Fulda will mit dem Projekt #FDChancennutzer*innen den Erfahrungsaustausch befördern. In der ersten virtuellen Coachingrunde am Mittwoch wurde klar: Die Mentalität ist entscheidend.
Anpassungsfähigkeit, Agilität, Mut, Furchtlosigkeit und Optimismus zeichnen die "chancennutzenden" regionalen Unternehmer aus, die sich im Videochat den Fragen stellen, auch wenn die Krise diese Tugenden erst hervorgebracht haben mag, denn: "Anfangs habe ich drei Tage Rotz und Wasser geheult - aber das hat nicht weitergebracht. Auch jetzt könnte es sein, dass wir nächste Woche wieder komplett schließen müssen - wenn die beschlossene Notbremse ab einer landesweiten Inzidenz von 100 greifen sollte - nicht mal Terminvereinbarungen wären dann möglich. Das kann einem regelrecht den Hals zuschnüren. Gleichzeitig muss ich momentan die Herbst-/Winterkollektion 2021 ordern - das sind Beträge im Wert eines Kleinwagens, und es gibt keine Planungssicherheit wie früher. Aber man muss etwas tun", erklärt Nicola Drüschler, Inhaberin des Modegeschäfts "Nicolissima" am Buttermarkt in Fulda.
Inzwischen ist Drüschler mit Onlineshop und virtuellen Sortimentspräsentationen ohne Infektionsgefahr im Wohnzimmer der Kundinnen präsent, aber aller Anfang war schwer: "Ich veröffentliche jetzt täglich Instagram-Videos. Vor ein paar Jahren undenkbar, das hätte ich nicht als Teil meines Geschäfts, meiner Identität als Unternehmerin gesehen. Diese Widerstände hat die Krise teilweise genommen. Man musste sich als Unternehmer immer schon neu erfinden - jetzt wird man dazu gezwungen."
Anja Lindner, Geschäftsführerin der W-E-G GmbH & Co. KG, hatte durch die Corona-Restriktionen plötzlich sowohl das "Morgensternhaus" am Eisweiher als auch das Biohotel "LindenGut" in Dipperz leerstehen, außerdem die Biocatering-Kapazitäten brachliegen. "Der Lockdown hat einige unserer Mitarbeiter in einen regelrechten Tiefschlafmodus versetzt. Als dann Landwirte mit überschüssigen Rohstoffen wie Eiern auf uns zukamen, konnten wir unsere Kapazitäten anderweitig nutzen: Nicht jeder braucht einen Autoklaven, wir haben die Technik zur Verarbeitung hier ungenutzt herumstehen und sind zum Dienstleister für Gastronomen geworden."
Kooperation statt Konkurrenz
Kooperation statt Konkurrenz, wo möglich, das war dann auch der Tenor der referierenden Unternehmer. Denn: Synergien funktionieren sowohl aktiv als auch passiv: "Durch das Herunterfahren ist vielen erst aufgefallen, wie groß die gegenseitige Abhängigkeit ist: Wenn jemand die Pizzeria bei mir nebenan besucht, schaut er im Anschluss in mein Schaufenster - und umgekehrt. Das kulturelle Angebot, die Übernachtungen - all das funktioniert zusammen. Für Einzelkämpfer ist es wesentlich schwerer. Viele sind schon über ihren Schatten gesprungen, manches ist schwerer zu vermitteln - etwa längere Öffnungszeiten, einmal die Woche", so Drüschler.Die Berater Andreas Bub (Poppenhausen) und Christof Füller (Fulda) mahnten: Die Krise erzwinge einen Paradigmenwechsel - mental, betriebswirtschaftlich und organisationstechnisch -, der auch langfristig Berücksichtigung finden müsse. "Die Einstellung 'Hoffentlich ist es bald vorbei' ist grundfalsch: Es wird die Normalität von vorher nicht mehr geben. In manchen Bereichen wird es Veränderungen geben, von der Konsum- zur Bedarfsgesellschaft, auch die Verhaltensweisen werden sich ändern", so Füller. Bub nannte konkrete Beispiele dafür aus seinem Berufsalltag: "Die Krise ist ein Verstärker: Große Investitionen werden jetzt schneller auf den Prüfstand gestellt, Fokusprojekte für Kunden stehen im Vordergrund. Gleichzeitig ist die Prozessoptimierung weiterhin wichtig. Hier empfiehlt sich eine modulare Herangehensweise: einzelne Abteilungen analysieren und optimieren statt das ganze Unternehmen - das geht relativ schnell und mit überschaubaren Kosten."
Chancen, keine Garantien
Netzwerke und Kooperationen spielten gerade jetzt eine wichtige Rolle bei der Stabilisierung: "In vielen Branchen hat nicht einer allein genug Ressourcen. Mit wem kann ich zusammenarbeiten? Wer kennt jemanden, der das kann? Manchmal sind die Ressourcen da, wenn man um die Ecke denkt und die von Partnern nutzen kann", gab Füller zu bedenken und zeigte auch ein ungewohntes Ressourcenpotenzial auf: "Deutsche Ingenieure und Entwickler geben gerne 120 Prozent. Apple gibt 60 Prozent und lässt den Rest den Benutzer machen." Fürs Einbeziehen der Kundschaft und deren neuer Situation sprach Karl-Gustav-Müller vom Schlossrestaurant und -café "Die Fasanerie" in Eichenzell: 50 Parkbänke des Schlossparks wurden als Ressource entdeckt und kurzerhand mit Speisekarten versehen und bei Bestellung mit dem Golfcart beliefert.