Prozessauftakt

Wie konnte das schreckliche Flugunglück auf der Wasserkuppe passieren?

Nach dem Flugunglück auf der Wasserkuppe startete am Dienstagmorgen der Prozess vor dem Landgericht in Fulda
Foto: Hans Hubertus Braune

03.03.2021 / FULDA - Mit Tränen in den Augen ringt der Angeklagte Eberhard F. nach Fassung, der Prozessstart wird fünf Minuten unterbrochen. Es tue ihm leid, was passiert ist. Er wollte die Arbeit des Gerichtes unterstützen, habe selbst ein Gutachten erstellen lassen. Hat er Fehler gemacht? Wenn ja, welche und wie sind diese eventuellen Fehler ihm anzulasten? Vor der Ersten Großen Strafkammer am Landgericht in Fulda muss sich seit Dienstag der 58-jährige Pilot aus Ludwigshafen verantworten. Er ist ledig, ohne Vorstrafen und seit Jahren in Luftsportvereinen aktiv. Und er sei ein erfahrener Pilot.


Ihm wird vorgeworfen, bei der Landung mit seinem Flugzeug auf dem Sonderlandeplatz der Wasserkuppe den Tod der kleinen Familie fahrlässig verursacht zu haben. Die schrecklichen Szenen spielten sich am 14. Oktober 2018 ab. Dabei verloren auf der Wasserkuppe eine Mutter und ihre beiden Kinder (elf und zwölf Jahre alt) ihr Leben, nachdem sie von einer einmotorigen Propellermaschine erfasst und tödlich verletzt wurden. Er soll den Flug angetreten haben, obgleich die zulässige Höchstabflugmasse der Maschine überschritten gewesen sei. Bereits vor dem Abflug in Mannheim hätte er es unterlassen zu überprüfen, ob die Cessna 172N die zulässige Höchstflugmasse von 1043 Kilogramm überschritt, obwohl sich diese Kontrolle angesichts von vier erwachsenen Passagieren aufgedrängt habe. Letztendlich sei der Flug daher mit einer Überladung von mindestens 32 Kilogramm angetreten worden, angesichts derer sich bereits der Abflug – auch aufgrund der damit verbundenen Leistungsbegrenzungen - verbot.

"Es sind vielfältige Schwierigkeiten"

Die Verteidigung macht deutlich: Es gehe darum, die Hintergründe, wie es zu diesem schrecklichen Unfall kommen konnte, aufzuklären. "Es sind vielfältige Schwierigkeiten, ein großes Problemfeld", sagt Rechtsanwalt Steffen Lindberg. Er verliest eine über einstündige Erklärung seines Mandanten, welcher zuvor seinen Lebenslauf mit einigen Schicksalsschlägen mit stockender Stimme vorlas. War er wirklich zu schnell, hätte er früher "durchstarten" müssen? Es sind viele, viele Fragen im Konjunktiv. Ob diese rund zweieinhalb Jahre nach dem Unglück tatsächlich aufgeklärt werden können, ist schwer zu sagen. Die Einordnung dieser technischen Parameter wird die Kernaufgabe der Strafkammer um den vorsitzenden Richter Josef Richter.

Über 30 Zeugen geladen

Auch der Anwalt der Nebenklage machte deutlich, dass es darum gehe, aufzuklären. Dies erklärte Rechtsanwalt Axel Scheld von Alt nach der Erklärung des Angeklagten. Im Fokus stehen dabei: die Beladung des Propellerflugzeugs, der Tankinhalt, der Wind, die Landebahn auf der Wasserkuppe. Viele technische Fragen sollen von mehreren Sachverständigen vorgestellt werden. Dazu werden über 30 Zeugen vernommen. Den Anfang machte am Dienstag ein Bekannter von Eberhard F., welcher mit in der Cessna saß. Er schilderte ebenso detailliert, wie sie den Flug von Mannheim auf die Wasserkuppe vorbereitet haben, und wie er die Landung beobachtet habe.

Beim Landeanflug auf der Wasserkuppe habe der Angeklagte dann den Queranflug verkürzt und die Landeklappen nicht auf die maximale Neigung gesetzt. So sei die Maschine mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit auf die Landebahn aufgesetzt. Infolgedessen war die Maschine hinter dem Pistenende mit dem Hauptfahrwerk auf den Boden aufgeprallt, überquerte die dort verlaufende Straße mit noch immer laufendem Propeller und erfasste auf einem Gehweg die Mutter und ihre 12-jährige Tochter sowie den 11-jährigen Sohn, welche unmittelbar zu Tode kamen. Der Angeklagte denke nach eigener Aussage seitdem jeden Tag an das Unglück. (Hans-Hubertus Braune / Nina Bastian) +++


X