Reise-Tagebuch (2)
Eine Weltreise in Corona-Zeiten: Besteigung des Kilimandscharo und Safaritour
Fotos (8): Nico Hagemann
09.01.2021 / TANSANIA -
Während die meisten Menschen in dieser Zeit ihren Urlaub stornieren und nur noch zum Einkaufen vor die Tür gehen, hat der Jossgründer (Main-Kinzig-Kreis) Nico Hagemann etwas gewagt, was er selbst und wohl auch viele andere als verrückt bezeichnen. Er brach gemeinsam mit seiner Freundin Anfang November zu einer mehrmonatigen Weltreise auf. In unregelmäßigen Abständen schildert er auf OSTHESSEN|NEWS seine Erlebnisse und Eindrücke.
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Bei Tag Touristenführer, bei Nacht DJ
Einen Abend waren wir vom Rotwein und Kilimanjaro-Bier etwas übermütig und ließen uns überreden, auf eine Party zu gehen. Also eine richtige Party, auf der Menschen feiern und tanzen. Auf mich wirkte das ganze surreal und ich musste mich mehrfach kneifen, vielleicht aber auch nur wegen der märchenhaft teuren Preise für einen Wodka-Lemon. Die Pointe der Geschichte ist, dass wir den Partylöwen MC Ananas, der Name war wohl in Anlehnung an seine Haarpracht gewählt, welcher an dem "Crazy Monday" auf der Bühne singend und tanzend durch das Programm führte, am übernächsten Tag in der Schwimmhöhle wiedertrafen, als er uns als seriöser Historiker erklärte, wie seine Vorfahren die Höhle als Quelle für Trinkwasser genutzt haben.
Reise zum Dach Afrikas
Uns ist dieses Urlaubsparadies und das Kilimanjaro-Bier wohl etwas zu Kopf gestiegen, anders kann ich mir unseren Entschluss nicht erklären, im Anschluss an unsere Traumwoche den Kilimanjaro zu besteigen. Also ab nach Moshi, Kennenlernen mit dem Bergführer und seinem Co, Leihen des nötigen Equipments (Schuhe, Stirnlampe, dicke Jacke) und schon lagen wir in unserem Hotelbett in der Gewissheit, dass wir am nächsten Tag zu einer siebentägigen Wanderung mit dem Höhepunkt auf 5985 Metern aufbrechen würden. Als wir dann am nächsten Morgen vor dem Hotel auf unsere Abholung warteten, fuhr ein wackliger, voll mit Menschen beladener Toyota-Bus im Hof vor, der einiges an Gepäck auf dem Dach hatte. Als dann unser Bergführer ausstieg, dachte ich mir, das könne nicht wahr sein. Es war wahr. Also rein in die Schüssel, Rucksäcke auf das Dach und ab in Richtung Lemosho-Gate. Die anderen Menschen im Auto waren, wie sich herausstellte, allesamt Träger für unser beider Gepäck. Nach einigen Zwischenstopps (unter anderem, um das Gepäck neu zu fixieren) erreichten wir das Lemosho Gate um 14:00 Uhr und liefen los. Der erste Tag war mit zwei Stunden Gehzeit relativ kurz, der zweite dagegen mit achteinhalb Stunden schon etwas länger. Über wunderschöne Landschaften wanderten wir weiter an den Tagen drei, vier und fünf mit jeweils nur drei bis vier Stunden Gehzeit. Diese Tage in der Höhe sollten der Akklimatisierung, also der Gewöhnung des Körpers an die extreme Höhe, dienen. Am fünften Tag der Wanderung erreichten wir das Base-Camp oder Barafu-Camp auf 4.600 Metern. Und von hier sollte in der Nacht der Gipfelversuch starten.
Luxus-Camping auf 4.000 Metern
Vorher möchte ich allerdings noch kurz die nahezu luxuriösen Umstände unserer Campingreise darstellen. Nachdem wir beispielsweise am fünften Tag entkräftet im Camp ankamen, hatten die Träger bereits das Zweimannzelt, in dem wir schliefen, sowie das Esszelt, in dem wir die Mahlzeiten zu uns nahmen, aufgebaut, sodass wir uns direkt auf die Campingstühle im Esszelt setzen und warmen Tee trinken konnten. Nach einigen Minuten wurde dann das Mittagessen serviert, welches stets als Dreigänge-Menü kam und wirklich sehr gut war. Nachmittags wurde dann gesalzenes Popcorn gereicht, bevor es Abends erneut ein Dreigänge-Menü gab. Das alles hatten wir den Trägern zu verdanken, die wirklich unglaubliche Leistungen vollbrachten. Einige Male mussten wir mit unserem leichten Tagesrucksack an einem steilen Anstieg abgekämpft zur Seite treten, damit uns ein Träger überholen konnte, der neben seinem Gepäck auch noch drei Stühle oder unser Zelt trug. Und dabei hatten sie immer eine gut gelaunte Begrüßung auf den Lippen.
An dem Tag des Gipfelangriffes ging es um 12 Uhr, also Punkt Mitternacht los, durch die Dunkelheit Richtung Gipfel. Und so marschierten wir etwa sechs Stunden bis zum Stella-Point, von wo aus wir den atemberaubenden Sonnenaufgang bewunderten. Dort hatte ich bereits etwas Probleme mit der Kraft in meinen Beinen und konnte mich ohne fremde Hilfe nicht mehr sehr lange auf den eigenen Beinen halten. Vom Stella-Point (5756 Meter) zog und schleppte mich dann unser Co-Bergführer, Mr. G, die letzte Stunde auf den Gipfel. Wir hatten das Dach Afrikas erreicht, we killed the Kil! Dann begann der Abstieg und meine Kräfte verließen mich fast vollständig. Dass ich meine Schuhsohle unterwegs verlor, machte die Sache auch nicht besser. Den ersten Teil schleppte mich Mr. G, bis uns schließlich die unglaublichen Träger vom Basecamp aus entgegen kamen und mich mal Huckepack, mal Arm in Arm ins Basecamp zurückverfrachteten. Nach drei Stunden Schlaf gab es um circa 14:00 Mittagessen. Bei der routinemäßigen Messung der Sauerstoffsättigung hatte ich einen Wert von 53%. Normal ist hier ein Wert von 95-100%. Irgendwie kam ich dann aber aus eigener Kraft den Berg wieder runter. Auf dem Weg verlor ich dann noch die andere Schuhsohle, aber das konnte mich dann auch nicht mehr aufhalten. Am Nachmittag des siebten Tages kamen wir schließlich wieder in unserem Hotel an, wo wir uns nichts sehnlicher als Ruhe und ein Bett wünschten, da wir am nächsten Tag um 6 Uhr morgens zu einer dreitägigen Safari aufbrechen sollten.
Abenteuerliche Trinkgeldreise
Zuerst jedoch mussten wir mit dem Bergführer eine zweistündige Reise durch verschiedene internationale Zahlsysteme machen, um ein angemessenes Trinkgeld für ihn und seine Träger zu bezahlen. Er hatte kein Bankkonto, was durchaus nicht unüblich in Afrika ist, und wir konnten nicht genug Bargeld an einem Tag abheben. Dabei half es auch nicht, dass er sich währenddessen einige Biere zu Gemüte führte. Am Ende fanden wir aber eine gemeinsame Lösung und lagen um 23:30 endlich im Bett. Die Taschen mit dem geliehenen Equipment standen am nächsten Morgen immer noch in der Hotellobby, die hatte der Bergführer an dem Abend wohl nicht mehr mit nach Hause genommen...
Drei Nationalparks in drei Tagen
Die nächsten drei Tage verbrachten wir glücklicherweise vor allem im Sitzen mit dem Blick aus dem Fenster. Von Moshi aus fuhren wir nach Arusha und von da aus in die Nationalparks Lake Manyara, Ngorongoro und Tarangire. Erwähnenswert sind die Leistungen des Jeep-Fahrers auf den Staubpisten der Nationalparks. Auf die Performance wäre wohl selbst Walter Röhrl in seinem Audi Urquattro neidisch. Und da waren natürlich die vielen unglaublichen Tiere, die man auf so einer Safari zu sehen bekommt. Wir hatten das Glück, dass ein Löwe direkt vor unserem halb geöffneten Fenster entlang schlenderte, was mich für kurze Zeit sehr ängstlich aber danach zutiefst beeindruckt zurückließ.
Nach diesen Eindrücken brauchten wir aber erst einmal einige Tage, um uns zu entspannen und unseren weiteren Reiseverlauf zu planen. Also mal schauen, wie es weiter geht... (Nico Hagemann) +++