Streit um Buchbestand schwelt weiter!
Allseitige Versuche, den Verlust der Klosterbibliothek zu "reparieren"
Bibliotheksbestände sind zweifellos Kulturgüter - qualitative Unterschiede sind aber gegeben
Symbolbild: pixabay
09.01.2021 / FULDA -
Die Wogen der Empörung über den Verkauf der historischen Klosterbibliothek der Franziskaner vom Kloster Frauenberg an ein Antiquariat in Sachsen schlugen in Fulda und Umgebung hoch und haben sich auch noch nicht gelegt, nachdem die Stadt Fulda zugesichert hat, Bestände, die verkauft wurden und für die Region von Bedeutung sind, möglicherweise doch noch dauerhaft zu sichern. Viele kulturell und historisch interessierte Bürger:innen haben einerseits ihr Unverständnis und Entsetzen über diesen Vorgang bekundet und andererseits ihre Bereitschaft erklärt, sich für einen Rückkauf selbst finanziell zu engagieren.
Nachdem der Orden die rund 150.000 Bände umfassende Bibliothek auflösen wollte, weil die Räume künftig durch antonius genutzt werden sollen, gab es diverse Anläufe, den Bestand an anderer Stelle unterzubringen - allerdings zunächst ohne konkretes Ergebnis. Pater Cornelius Bohl von der Provinzleitung der Deutschen Franziskanerprovinz hat sich jetzt aus München zu Wort gemeldet, weil er in diesem Zusammenhang ein grundlegendes Missverständnis klären möchte. Die Auflösung der Klosterbibliothek auf dem Frauenberg habe in den Medien und in der Öffentlichkeit zu engagierten Diskussionen geführt. Dabei sei der Eindruck erweckt worden, als sei damit wertvolles, mit der Region Fulda verbundenes Kulturgut verschleudert worden. "Dieser verzerrten Darstellung müssen wir sehr deutlich widersprechen", so Bohl.
"Größere Abteilung zeitgenössischer Belletristik und Taschenbuch-Krimis"
"Die wiederholt geäußerte Behauptung, die gesamte Bibliothek sei ein in sich geschlossenes Kulturobjekt von herausragender Bedeutung, ist schlichtweg nicht richtig und zeugt von einer Unkenntnis der Sachlage. Nur etwa 14 Prozent der gesamten Bibliothek waren historische Bestände!" Auf dem Frauenberg habe bis 1968 eine ordenseigene Hochschule bestanden. Der weitaus größte Teil der dazugehörenden Studienbibliothek habe dementsprechend theologisch-philosophische Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts umfasst, die sich deutschlandweit auch in vielen anderen Bibliotheken finde oder bereits digitalisiert sei. "Zur Bibliothek auf dem Frauenberg gehörte dann beispielsweise auch eine größere Abteilung mehr oder weniger zeitgenössischer Belletristik einschließlich einigen Metern von Taschenbuch-Krimis", präzisiert der Povinzialminister.
Wertvolle Handschriften und Inkunabeln seien bereits 2016 als Dauerleihgabe von der Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars übernommen worden. Die tatsächlich für die Stadt und Region Fulda bedeutenden Fuldensien sowie die für die franziskanische Geschichte und Spiritualität bedeutenden Werke seien im Besitz der Franziskaner verblieben. Bohl stellt klar: "Hier muss nichts gerettet werden! Wir sind uns unserer Verantwortung für dieses kulturelle Erbe bewusst und werden klären, in welcher Form diese Bücher künftig auch wieder für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können."
Die Auflösung der Bibliothek auf dem Frauenberg stehe im Kontext großer Umbrüche der Ordensgemeinschaft. Aktuell seien innerhalb eines Jahres sieben Niederlassungen aufgelöst worden, darunter Klöster, in denen die Franziskaner über viele Jahrhunderte präsent gewesen seien. "Dies ist tatsächlich ein kultureller und spiritueller Verlust! Vor diesem Hintergrund sehen wir uns personell, finanziell und von den räumlichen Möglichkeiten her nicht in der Lage, alle Bibliotheksstandorte und den gesamten Buchbestand in Zukunft selbst zu erhalten."
Auch die Theologische Fakultät äußert sich zur Franziskanerbibliothek
Unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Auflösung und des Verkaufs der Franziskaner-Bibliothek auf dem Frauenberg im Frühjahr 2020 habe die Theologische Fakultät Fulda begonnen, wichtige Bestände des Franziskanerklosters Frauenberg aus dem frühen 17. Jahrhundert zur franziskanischen und jesuitischen sowie zur Fuldaer Geschichte aufzuspüren und mit eigenen Mitteln zu sichern, schreibt der Rektor der Theologischen Fakultät Fulda, Dr. Bernd Dennemarck. Sie gingen auf Schenkungen bedeutender Persönlichkeiten des fuldischen Geisteslebens zurück und könnten dem Gründungsbestand der Bibliothek zugerechnet werden. Der Rektor begrüßt auch das Engagement der Stadt Fulda und Oberbürgermeisters Dr. Heiko Wingenfeld in dieser Angelegenheit. Auch Bischof Dr. Michael Gerber habe vor wenigen Tagen "die Erforschung und Sicherung wertvoller Kulturgüter als trägerschaftsübergreifende Gemeinschaftsaufgabe" definiert.
Um unter den verkauften Büchern gegebenenfalls noch vorhandene wertvolle Werke rechtzeitig vor der Zerstreuung zu bewahren, hätten Fakultät bzw. deren Bibliothek frühzeitig auch Förderanträge bei der Jubiläumsstiftung der Sparkasse Fulda sowie bei der Stiftung Fuldischer Kulturbesitz gestellt, die auf positives Interesse gestoßen seien. Auch der Förderkreis der Theologischen Fakultät Fulda wolle weitere Gelder für die nachhaltige Sicherung des Kulturerbes zur Verfügung stellen. (Carla Ihle-Becker)+++