Lehrerin aus Leidenschaft
Eleonora Färber: "Das ist mir doch egal, wie alt ich bin!" - 100 Jahre auf der Welt
Fotografin Marzena Seidel
19.12.2020 / FULDA -
"Wenn mir heute jemand sagen würde, ‚Dein Leben ist jetzt vorbei‘, dann wäre das schön. Ich freue mich auf diesen Augenblick", sagt Eleonora Färber, als sie an einem heißen Tag im August im Garten des Marienheims in der Fuldaer Kanalstraße sitzt. Sie denkt an die hundert Jahre zurück, die sie auf dieser Welt gelebt hat – in denen sie nicht nur ihr Heimatland verlassen und einen Krieg erleben musste, sondern auch ihren Mann, für den sie einst nach Deutschland kam, mehrere Jahrzehnte lang gepflegt hat. "Und das würde ich immer wieder tun! Und wenn ich sterbe, dann sehe ich ihn wieder."
Als Eleonora Färber im Mai dieses Jahres ihren hundertsten Geburtstag feierte, gratulierte ihr nicht nur der Oberbürgermeister ihrer heutigen Heimatstadt Fulda, auch einstige Schüler, die sie unterrichtet hatte, hatten sich angekündigt, um sie zu beglückwünschen. Dabei sei ihr Geburtstag für sie überhaupt kein besonderer Tag gewesen, sagt sie heute. "Ich habe mir überhaupt keine Gedanken über das Alter gemacht. Das ist mir doch egal, wie alt ich bin." Wichtig sei ihr etwas anderes: Nämlich, dass sie für die hundert Jahre, die sie gelebt hat, Verantwortung übernehmen kann. Für sich selbst und für das, was sie getan hat.
"Ich habe jeden Menschen zu lieben und zu achten, auch den, der im größten Dreck liegt. Jeder ist mein Nächster. Wenn das alle so machen würden, dann wäre die Welt ein besserer Ort", sagt sie und wird sogleich nachdenklich. "Wir haben doch kein Recht zu urteilen. Über niemanden." Eleonora findet auch, dass Respekt nicht nur gegenüber Menschen gefordert ist. Fragt man sie, was ihrer Meinung nach der Grund dafür ist, dass sie schon ein ganzes Jahrhundert lebt, fällt ihr die Antwort nicht schwer: "Ich habe mein Leben lang viel Sport gemacht. Aber ich habe auch vegan gelebt. Ich liebe alle Tiere." Ein Gebot, fügt sie hinzu, laute, du solltest nicht töten. "Gott hat nicht gesagt, wen man nicht töten soll. Also meint er, dass man auch keine Tiere töten soll."
Eine Zugfahrt war es damals, die ihr Leben gehörig auf den Kopf stellen sollte. Denn da traf sie ihn. Den Mann, für den sie ihre bergige Heimat Österreich verließ. Das Land, in dem sie eines ganz besonders gern getan hat: Ski fahren. "Natürlich habe ich das gern getan", antwortet sie, wenn sie gefragt wird, ob sie gern die Berge hinuntergefahren ist, "Ich bin doch Österreicherin." Besonders gut erinnert sich die Hundertjährige an die Tage im Winter, in denen sie mit ihren Skiern aus Salzburg, wo sie damals wohnte, zu ihrer Arbeitsstelle nach Straßwalchen gefahren ist. "Da habe ich als Lehrerin gearbeitet."
Ein Lachen entfährt ihr, als sie daran denkt. "Das Wichtigste im Leben ist doch, mit gutem Beispiel voranzugehen und in jedem Menschen das Gute zu sehen." Auch wenn es manchmal versteckt sei, sei es da. "Im Grunde seines Herzens ist doch jeder Mensch gut. Sonst wäre er doch nicht auf der Welt. Die Umwelt macht manche nur zu dem, was sie sind." Eleonora Färber hat ihr ganzes Leben nach einem wichtigen Motto gelebt: "Hört auf euer Gewissen! Bleibt immer bei der Wahrheit. Und das, was ihr sagt, soll Gutes in die Welt hinaustragen." Das sagt sie mit viel Ausdruck in der Stimme und schaut dann auf das, was hinter dem Garten des Marienheims liegt. "Das ist die Severikirche. Ist das nicht ein herrlicher Ausblick?"(Suria Reiche)
Der Beitrag erschien zuerst in der aktuellen Ausgabe des "SeitenWechsel - Magazin für Machbarkeit" zum Thema "Die Kunst des Alterns"+++