"Wir liegen am Abgrund"
Stillstand seit einem Jahr: "Dream of Circus" kämpft ums Überleben
Fotos: Carina Jirsch
17.12.2020 / SCHLITZ - Die Tiere sind im Stall, die Wohnwagen stehen abgeschlossen auf dem Gelände: Seit einem Jahr steht der "Dream of Circus" in Pfordt-Schlitz still. Doch als unsere Redaktion in dieser Woche der Familie Frank einen Besuch abstattet, werden die Kostüme wieder aus dem Schrank geholt. "Vielleicht ziehen wir sie heute für euch zum letzten Mal an", so Zirkusdirektor Andy Frank im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS. Grund dafür: natürlich Corona.
Eigentlich fing das Jahr 2020 für die Zirkusfamilie aus Schlitz gut an. Etliche Vorführungen in 45 deutschen Städten waren geplant, die Akrobaten hatten ein neues Tour-Programm für die Zuschauer auf die Beine gestellt. Im Frühjahr dieses Jahres kam dann der Lockdown: "Im März habe ich die Lage noch unterschätzt, habe mich noch darüber lustig gemacht und gedacht, dass wir in zwei, drei Wochen weitermachen können", blickt Frank zurück. Doch im April sei ihm der Ernst der Lage bewusst geworden, schlaflose Nächte stehen bis heute an der Tagesordnung.
"Das Schlimmste ist die Ungewissheit"
Denn zehn Monate nach Corona ist immer noch ein großes Fragezeichen im Kopf. "Das schlimmste ist die Ungewissheit", sagt Andy. Denn Veranstaltungen sind erst einmal bis Mai nächsten Jahres untersagt, wie es dann weitergeht, weiß heute noch niemand. Zwei kleine Auftritte hatte die Zirkusfamilie im Sommer - ansonsten steht bis heute alles still. Alles, außer die Kosten, denn die laufen weiter: Lebensunterhaltungskosten, Versicherungen der Fahrzeuge, Futter für die Tiere. "Wenn es nicht so tolle Menschen geben würde, die uns unterstützen, würden wir heute hier nicht mehr sitzen", sagt Frank und bedankt sich bei Julia Roth, die mit dem Verein "Alsfeld erfüllt Herzenswünsche" der Zirkusfamilie unter die Arme greift.Diese Hilfe hätten sie sich auch von der Regierung erhofft, denn die Aussagen waren vielversprechend. "Wir haben die tollsten Sachen versprochen bekommen - und bis heute haben wir keinen Cent gesehen", sagt er ernüchternd. "Und das alles, weil die Regierung sagt, wir seien nicht systemrelevant." Einzig die Grundsicherung der KVA ist eine kleine Einnahmequelle für die Familie - "doch das reicht zum Leben, aber für nichts anderes". Andy Frank sagt ganz klar: "Wenn wir noch ein weiteres Jahr nichts machen dürfen, sehe ich schwarz."
Die Hoffnung bleibt
Denn dann wäre die Zirkusfamilie in der achten Generation das nächste Unternehmen, welches die Corona-Krise in die Knie zwingt. "Wir wissen nicht, wie es weitergeht. Wir liegen schon am Abgrund." Doch trotz allem will die Familie so schnell nicht aufgeben: Alle sind täglich fleißig am Trainieren, um nach der Corona-Zeit die beste Show für die Zuschauer auf die Beine zu stellen. Denn so hart die Zeit auch ist, kommt für Andy und seine Familie derzeit nichts anderes infrage, als weiter zu hoffen: "Wir sind Zirkuskinder der ersten Stunde. Für uns gibt es nicht schöneres, als strahlende Kinderaugen bei unseren Vorführungen." (Luisa Diegel)Wenn auch Sie die Familie unterstützen möchten, können Sie sich unter der Telefonnummer 0178/3875024 bei Andy Frank melden. +++