Von Meinungsfreiheit gedeckt?
Freispruch trotz Polizistenbeleidigung - Demonstration vor dem Amtsgericht
Fotos: Miriam Rommel
04.12.2020 / FULDA -
Demonstrationen anlässlich einer Gerichtsverhandlung sind in Fulda eindeutig die Ausnahme. Am Donnerstag hatten sich rund 30 Sympathisanten eines Angeklagten zur Kundgebung vor dem Amtsgericht eingefunden. Offensichtlich wollten sie ihre Solidarität mit dem 26-jährigen Angeklagten bekunden und auch noch einmal auf den Grund der damaligen Demonstration verweisen. Am Jahrestag des bei einem Polizeieinsatz im Fuldaer Münsterfeld erschossenen Flüchtlings hatte am 13. April 2019 eine angemeldete und genehmigte Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz unter dem Motto "Gerechtigkeit für Matiullah" stattgefunden, die dann über den Uniplatz bis zum Tatort im Münsterfeld weiterzog - immer begleitet von Einsatzkräften der Polizei. In der Kronhofstraße habe der Angeklagte per Mikro und Lautsprecher wiederholt die Parole "Bullen morden, der Staat schiebt ab, alles ein Rassistenpack!" skandiert.
"Bin es gewohnt, als Scheiß-Bulle bezeichnet zu werden"
Dagegen sah die Verteidigerin keine persönliche Beleidigung in der angeklagten Äußerung. Es sei bei der Demonstration klar um den allgemeinen Vorwurf des Rassismus bei der Polizei gegangen, auf diesen Sachbezug sei in den damaligen Redebeiträgen auch in Beispielen hingewiesen worden. Die Polizei sei als Kollektiv nicht beleidigungsfähig, das sei der Stand der aktuellen Rechtssprechung. Ihr Mandant habe keinen der Polizisten angeschaut oder auf sie gezeigt und sofort mit der angezeigten Parole aufgehört, als ihn ein Beamter darauf angesprochen habe. Sie forderte Freispruch für ihren Mandanten.
Dieser Einschätzung folgte der Richter auch in seinem Urteil und sprach den 26-Jährigen vom Vorwurf der Beleidigung frei. Jeder dürfe im Rechtsstaat seine Meinung frei äußern. Im Zweifel sei für den Angeklagten anzunehmen, dass er niemanden direkt gemeint habe. Dennoch schrieb er dem 26-Jährigen in einer persönlichen Bemerkung ins Stammbuch, das Urteil sei keineswegs ein Freibrief, sich weiterhin respektlos zu äußern. Dessen Art der Kommunikation gehe bis zur Grenze der Strafbarkeit. "Jeder Mensch kann verstehen, dass sich der Polizist gekränkt fühlte, der gerade Ihr Grundrecht schützte!", schloss der Richter die Verhandlung.(Carla Ihle-Becker)+++