Trend aus Japan

Waldbaden hält nun auch im Vogelsberg Einzug

Iris Niggenaber (Mitte) stellt Heike Ruhl und Bürgermeister Ziegler das Waldbaden vor.
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22.10.2020 / HERBSTEIN - Bereits seit den 1980er Jahren wurde das Waldbaden in Japan als wichtiger Bestandteil einer gesunden Lebensweise durch Politik und medizinische Wissenschaft propagiert. Auch viele Studien, die sich mit dem Thema Wald als Gesundheitsfaktor beschäftigen, stammen aus Japan, denn die sogenannte Waldmedizin, oder auch "forest medicine", ist in Japan ein anerkanntes Forschungsgebiet. Aber auch in Europa, den USA und Australien rücken die gesundheitlichen Vorteile von Aufenthalten im Wald immer mehr in den Fokus der Wissenschaft.



Im Rahmen eines Pressegespräches mit Bürgermeister Bernhard Ziegler, Heike Ruhl von der Kurverwaltung stellte Iris Niggenaber (Grebenhain) am Thermalbad das das in Japan erfundene Waldbaden vor, das man als einen bewusst erlebten, entspannend wirkenden Aufenthalt im Wald bezeichnen kann. Der japanische Name "Shinrin Yoku" bedeute "baden im Wald", was nicht etwa das Baden in einem Waldsee meint, sondern das Baden in der Atmosphäre des Waldes. Ein wichtiger Bestandteil sei das bewusste Erleben der Natur mit allen Sinnen, häufig in Kombination mit Entspannungsübungen. In Japan hat sich Waldbaden bereits als fester Bestandteil der Gesundheitsvorsorge etabliert. Aber auch

in Deutschland werden mittlerweile entsprechende Kurse angeboten, um das Waldbaden zu erlernen. Diese beinhalten neben dem Spaziergang noch Achtsamkeits- oder Atemübungen und Entspannungstechniken aus dem Yoga oder Qigong.

"Auch wenn es keine Regeln oder eine feste Anleitung zum Waldbaden gibt, können ein paar Tipps dabei helfen, das Waldbaden besonders zu genießen", betonte Iris Niggenaber. So beinhalte es das sehr bewusste Wahrnehmen der Umgebung mit allen Sinnen. Die Teilnehmer konzentrierten Sie sich auf Gerüche, Geräusche oder Farben, wie das Rauschen der Blätter oder den Duft von Tannennadeln. Das Lauftempo sei eher langsam und der Spaziergang ausgedehnt. Wie lange ein Waldbad dauern sollte, sei nicht festgelegt, es könnten aber durchaus mehrere Stunden sein. Aber auch 20 bis 30 Minuten täglich helfen laut einer US-amerikanischen Studie schon dabei, das Stresshormon Kortisol im Blut zu reduzieren. Beim Waldbaden sollte man sich genügend Zeit nehmen und keine Hektik aufkommen lassen. Zudem sollten ausreichend Pausen gemacht und genug Flüssigkeit, vor allem Wasser oder Tee getrunken werden. "Waldbaden oder ein einfacher Waldspaziergang sind gesund für Körper und Psyche und kann in jedem Wald stattfinden", so die gelernte Waldbademeisterin Niggenaber. Die Zeit

für einen Waldspaziergang sei egal, doch hätte jede Zeit ihre eigene Energie. Sie wies dabei auf die Rauhnächte hin. Dies seien die 12 Tage zwischen den Jahren, die auch als heilige Nächte bezeichnet würden und ein alter Brauch in Europa seien. Für diese Zeit gebe es unterschiedliche Bezeichnungen und je nach Region und Gemeinschaft auch unterschiedliche Bräuche und Bedeutungen. Allen Bräuchen und Bedeutungen sei gemein, dass sie eine Zeit der Besinnung seien und deshalb auch besonders gut zum Waldbaden seien. Man könne sie nutzen, um Rückblick auf das vergangene Jahr zu halten und Ausschau auf das kommende. Man könne auch danken für das, was einem geholfen und unterstützt habe und aber auch Abschied nehmen von dem, was einem gehemmt und ausgebremst habe.

Insgesamt hätten die positiven Auswirkungen des Waldes auf die Psyche und den Körper unterschiedliche Ursachen. So weisen Wälder ein eigenes Lokalklima auf. Durch das dichte Blattwerk werden Umwelteinflüsse, wie Sonneneinstrahlung, Hitze und Kälte gemindert. Es herrsche eine höhere Luftfeuchtigkeit, was die Atemwege befeuchtet und sie so weniger anfällig für Bakterien und Viren macht. Die Bäume sorgen zudem für eine hohe Konzentration an Sauerstoff in der Luft. Waldgeräusche, wie das Zwitschern der Vögel, und angenehme Gerüche tragen dazu bei, dass man sich im Wald wohlfühle, denn sie sorgen dafür, dass die Aktivität des Parasympathikus gesteigert werde.

Dieser Teil des vegetativen Nervensystems sei besonders in Ruhephasen aktiv und diene der Regeneration des Organismus. Sei er aktiv, sinken der Puls und der Blutdruck. Durch die ruhige Atmosphäre entspannen sich die Muskeln. Darüber hinaus sendeten Bäume Botenstoffe aus. Diese sogenannten Terpene dienten den Bäumen dazu, miteinander zu kommunizieren, um beispielsweise effektiver Pilze oder Schädlinge abzuwehren. Sie werden durch Blätter und Nadeln abgesondert und befinden sich in der Waldluft.

Diese Terpene werden beim Waldspaziergang über die Haut oder die Atmung aufgenommen und gelangen so in den Blutkreislauf. Kurze Kleidung sei deshalb bei geeigneter Witterung empfehlenswert, da so nicht nur mehr Sonnenlicht, sondern auch mehr Terpene aufgenommen werden könnten, die im Gehirn die Produktion von Botenstoffen steigerten, die den Kortisol- und Blutzuckerspiegel sowie den Blutdruck regulieren könnten. Ein dauerhaft erhöhter Kortisol-Spiegel werde mit einer Schwächung der Abwehrkräfte, Depressionen und einem größeren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Zusammenhang gebracht.

Waldbaden könne in kleinen Gruppen auch in Zeiten der Corona-Pandemie durchgeführt werden. Einzelpersonen seien ebenfalls zum Waldbaden eingeladen. Bürgermeister Bernhardt Ziegler zeigte sich abschließend erfreut darüber, dass man nun in Kürze mit dem Waldbaden ein weiteres Highlight in der "Stadt auf dem Berge" anbieten könne, das generell der Steigerung des Wohlbefindens diene. (gr) +++

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