Positiver Verlauf auf die Krankheit

"PingPongParkinson"-Gruppe: Tischtennis gegen den Verlust der Beweglichkeit

Rainer Lindenthal, Silke Kind, Bronzemedaillengewinner Harry Wissler, Frank Gebhardt, Vereinsvorsitzender der Tischtennisabteilung des KSV Niesig Heiko Rother.
Fotos: Suria Reiche

14.10.2020 / FULDA - Wie nehme ich den Ball an? Wo spiele ich ihn jetzt hin? Mache ich einen Abwehrschlag? Oder doch besser einen Angriffsschlag? Nach rechts oder nach links? An der Tischtennisplatte müssen oft schnelle Entscheidungen her, die dann mit dem Körper umgesetzt werden müssen. Auch, wenn es noch keine wissenschaftlichen Beweise - aber bereits Studien und Erfahrungsberichte - dafür gibt, ist man sich sicher, dass sich die fortschreitende Verschlechterung der Symptome der Parkinson-Krankheit durch das Spielen von Tischtennis verlangsamt. Schnelle Entscheidungen, Konzentration und Augenbewegungen wirken sich positiv auf den Verlauf von dieser Krankheit aus. In Osthessen hat sich deswegen jüngst die erste "PingPongParkison"-Gruppe gegründet. Sie trifft sich immer donnerstags (außer in den Ferien) in der Ottilienschule in Niesig.



Als Silke Kind vor etwa sieben Jahren die Diagnose Parkinson bekommen hat, wusste sie anfangs gar nicht wirklich, was sie damit anfangen soll. In einem Selbsthilfe-Forum (PARKINSonLINE e.V.) im Internet ist sie auf weitere Betroffene gestoßen, die ihr Tipps für den Umgang mit der Krankheit gegeben haben. Einer davon: Bewegung ist gut und sogar Teil der Therapie. Vor allem Tischtennis sei geeignet, da durch die schnellen Augenbewegungen, das Verarbeiten dieser im Gehirn und das Umsetzen mit dem Körper das Voranschreiten des Krankheitsverlaufs verlangsamt werden kann. "Und noch dazu macht es Spaß und man begibt sich heraus aus seiner eigenen Isolation und runter von der Couch", sagt Kind.

Die 54-Jährige befasste sich intensiver mit dem Thema, fand heraus, dass es sogar einen bundesweiten Verein (PingPongParkinson Deutschland e.V.) für Parkinson-Betroffene gibt, die den Sport an der Platte betreibt. "Ich habe mit den Initiatoren Kontakt aufgenommen. Eine PingPongParkinson-Gruppe in Fulda gab es jedoch noch nicht." Generell gebe es diesen Verein noch nicht so lange. Erst im vergangenen Jahr wurde zum allerersten Mal eine Weltmeisterschaft in den USA ausgetragen. In Deutschland wurde der gemeinnützige Verein von Thorsten Boomhuis und Harry Wißler gegründet. Dabei hatten die beiden klare Ziele vor Augen: Das Spielen von Tischtennis soll als Teil der physikalischen Therapie beim Parkinson-Syndrom etabliert werden.

PPP – so die Kurzform von "PingPongParkinson" – soll die rund 400.000 von Parkinson betroffenen Menschen in Deutschland aus der Bewegungsarmut und der häufigen Isolation hinein in die Sporthallen, unter Menschen und in Austausch mit anderen Betroffenen bringen. "Hierfür wird sukzessiv deutschlandweit ein Netzwerk an Stützpunkten – nach Möglichkeit für die Teilnehmer ortsnah – aufgebaut", schreiben die beiden auf der Internetseite des Vereins. Dank Silke Kind, ihrem Vereinskollegen Rainer Lindenthal und der Unterstützung des KSV Niesig ist jetzt auch Osthessen dabei. "Es ist wichtig, Parkinson bekannter zu machen", sagt Kind, "nur wenige können sich etwas unter dieser Krankheit vorstellen."

Und sich als Betroffener zu aktivieren, die Muskeln aus ihrem "Dornröschenschlaf" zu wecken, sei noch viel wichtiger. "Ich laufe heute besser. Oft kommen Menschen auf mich zu und fragen, was ich verändert habe. Und tatsächlich habe ich einfach nur angefangen, so oft wie der Alltag es hergibt, Bewegung einzubauen und vor allem Tischtennis zu spielen." Das könne jeder, egal, ob Anfänger oder Profi. "Es sind allein die Schritte in die Turnhalle." Jeden Donnerstag um 19.30 Uhr spiele Kind dort gemeinsam mit den Spielern des KSV Niesigs und freue sich über jeden Betroffenen, der den Weg herunter von der Couch findet. Schläger und Bälle sind vorhanden und müssen nicht selbst mitgebracht werden. "Es geht dabei nicht um Punkte oder ums Gewinnen, sondern um den Spaß und darum, sich zu treffen und sich zu bewegen", sagt sie. (Suria Reiche) +++

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