Fünf Zeitzeugen erinnern sich
Grenzgeschichten: "Der Osten roch nach Braunkohle"
Fotos: Miriam Rommel
04.10.2020 / TANN (RHÖN) -
Am 9. November 1989 fiel in Berlin die Deutsche Mauer, im Oktober 1990 folgte die Wiedervereinigung. 41 Jahre lang war Deutschland geteilt. In der Rhön lebten viele Menschen direkt an der Grenze und obwohl das nächste Haus auf "der anderen Seite" vielleicht sogar in Sichtweite lag, waren die Bewohner unerreichbar.
Fünf Zeitzeugen aus Tann und Umgebung haben sich für OSTHESSEN|NEWS erinnert:
Grenzausflug
Ein kurzer Ausflug
"1970 war ich 18 Jahre alt. Wir wohnten dicht an der Grenze, die mich immer wieder magisch anzog. Eines Abends entdeckte ich bei einem Spaziergang, dass das Tor in Richtung Motzlar offenstand. Also lief ich einfach hindurch, meine Neugierde war riesig. Kurz vor dem Dorf allerdings stand ein Wachhäuschen, plötzlich gingen Strahler an. Aus Furcht, von den Grenzschützern erschossen zu werden, stellte ich mich. Ich wurde festgenommen und noch in der Nacht nach Bad Salzungen gefahren. Das war extrem aufregend und auch wenn man mich über Stunden verhört hat, wurde ich nicht schlecht behandelt. Zum Schluss gab es sogar noch einen kleinen Schnaps zur Beruhigung. Im Morgengrauen wurde ich über die Grenze bei Gerstungen gebracht. Glücklicherweise hatte ich noch 10 Mark in der Tasche, damit kaufte ich mir ein Zugticket bis nach Fulda. Von dort aus nahm mich der Vater eines ehemaligen Schulkollegen mit nach Hause."Fataler Streich
Flaschenpost
"Ich war in den 80ern noch ein Kind und habe mich immer gefragt, wie es wohl in der DDR sein mag. Also habe ich einen Brief geschrieben, ihn in eine Flache gesteckt und in die Ulster geworfen. Wochenlang geschah gar nichts. Irgendwann, ich war gerade aus der Schule zurück, wedelte meine Mutter mit einem Brief. Tatsächlich hatte es die Flasche rund 15 Kilometer weiter bis nach Buttlar geschafft, eine junge Frau, noch keine 20 Jahre alt, hatte mir geantwortet. Die Brieffreundschaft hielt eine ganze Weile und dass, obwohl die Post teils monatelang unterwegs war. Auch war es nicht unüblich, dass die Briefe, die mich erreichten, bereits vorher von Fremden geöffnet worden waren.""Der Osten roch nach Braunkohle"
Wenn mich heute jemand fragt, wie ich die DDR damals in der Zeit erlebte, fällt mir als erstes immer ein, dass es wirklich überall nach Braunkohle roch. Außerdem hatte ich, ein Grundschulkind, immer fürchterlich Angst davor, man könnte die Grenze wieder schließen.