Neun Häuser und drei Straßen

Ort im Miniaturformat: Wo sich nichts Superbesonderes als Besonderes entpuppt

Hermannspiegel im Haunetal ist der kleinste Ort des Landkreises Hersfeld Rotenburg.
Fotos: Stefanie Harth

27.09.2020 / HAUNETAL - "Es gibt hier nichts Superbesonderes – eigentlich ist hier alles ganz normal", sagt Martin Schwärzle, der Ortsvorsteher des Haunetaler Ortsteils Hermannspiegel. Eigentlich. Denn immerhin kann sich das Dörfchen, das direkt an der Bundesstraße 27 und der Nord-Süd-Bahnstrecke liegt, mit dem Titel "Kleinster Ort des Landkreises Hersfeld-Rotenburg" schmücken.



31 Einwohner (Stand: 20. Juni 2020), neun Häuser beziehungsweise Gehöfte und drei Straßen zählt Hermannspiegel. Ein Drittel der Einwohner betreibt noch Landwirtschaft im Nebenerwerb. Und freilich sind alle Hermannspiegeler miteinander per Du.

Wo aufeinander gezählt werden kann


"Wir können aufeinander zählen, haben aber trotzdem unseren Freiraum, weil wir nicht dicht an dicht wohnen", berichtet Martin Schwärzle, der ursprünglich aus Ludwigsau-Friedlos kommt und den es der Liebe wegen ins Haunetal verschlagen hat. Dessen Frau Bianca ist eine waschechte Hermannspiegelerin. "Wir sind umgeben von wundervoller Natur und können täglich der Hektik entfliehen", meint sie. "Ein schönes Fleckchen Erde ist beispielsweise unser Dorfplatz mit dem Backhaus und den zwei uralten Linden."

Apropos uralt: 1396 ist Hermannspiegel das erste Mal schriftlich erwähnt worden. Der Weiler Siegwinden, der zum Ort zählt, ist bereits 1160 schriftlich erfasst worden. Bis 1991 war es gar nicht so einfach, mit dem Auto ins Dorf zu gelangen. Busse oder Lkw hatten sowieso das Nachsehen. "Damals war Hermannspiegel nur über eine Mini-Brücke über der Haune zu erreichen", erinnert sich Bianca Schwärzle. "Und am beschrankten Bahnübergang stand man häufig in der Warteschleife." Die Trendwende brachte dann die neue Brücke, die sich über die Haune und die Bahntrasse spannt.

Beliebtes Ziel für Bahnfotografen


Und dieses Bauwerk entpuppt sich als eine Art "Besuchermagnet": Passionierte Bahnfotografen aus ganz Deutschland und den europäischen Nachbarländern beziehen hier Stellung, um die Züge, die eine langgezogene Kurve passieren, auf ihre Aufnahmen zu bannen. Mit dem Bahnlärm hat sich das Gros der Hermannspiegeler übrigens arrangiert. "Man gewöhnt sich dran", meint der Ortsvorsteher.

In Sachen Nachhaltigkeit kann der Haunetaler Ortsteil punkten: Laut Martin Schwärzle haben mittlerweile fünf Familien Photovoltaik-Anlagen auf ihren Dächern installiert. Hinzu gesellt sich ein kleiner Photovoltaik-Park.

Es gibt auch Baustellen


Nachholbedarf sieht der Ortsvorsteher in Sachen Breitbandausbau: "Alle Haunetaler Ortsteile verfügen über schnelles Internet – nur Hermannspiegel fällt hinten runter. Das ist gerade in Zeiten von Corona, in denen Homeoffice und Homeschooling auf der Tagesordnung stehen, eine Katastrophe." Man verlange sehr wenig von der Gemeinde, aber in diesem Fall bestehe Handlungsbedarf. Ähnlich verhalte es sich mit dem in die Jahre gekommenen Fahrradweg, der eine Generalüberholung dringend nötig hätte.

Von einer bewaldeten Anhöhe herab lässt Martin Schwärzle den Blick hinunter ins Tal schweifen. Fest nimmt er Hermannspiegel, das ihm im Miniaturformat zu Füßen liegt, ins Visier. (Stefanie Harth) +++

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