Interview mit Dr. med. Christian Berkhoff

Experte: Schilddrüsen-Erkrankungen und was dabei hilft

Chefarzt der Allgemein-, Viszeral- sowie Minimal-invasiven Chirurgie am Herz-Jesu-Krankenhaus Fulda, Dr. med. Christian Berkhoff
Foto: privat

06.09.2020 / ANZEIGE - Schilddrüsenhormone unterstützen sämtliche Abläufe im Körper, Funktionsstörungen können deswegen schnell Probleme bereiten. Dr. med. Christian Berkhoff, Chefarzt der Allgemein-, Viszeral- sowie Minimal-invasiven Chirurgie am Herz-Jesu-Krankenhaus Fulda, erläutert, wie der "Schmetterling im Hals" funktioniert, worauf es zu achten gilt und was bei Erkrankungen zu tun ist.


Unspezifische Symptome wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit oder gar Schluckbeschwerden können auf Schilddrüsenprobleme zurückzuführen sein. "Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Funktionsstörungen und morphologischen Störungen, etwa Knoten oder Vergrößerungen der Schilddrüse. Manche Schilddrüse sieht ganz normal aus, weist aber Funktionsstörungen auf - und umgekehrt. Deswegen ist es wichtig, im Patientengespräch auf Symptome wie Atemnot oder Stimmprobleme hinzuweisen - eine direkte Untersuchung, die Laborwerte und eine Ultraschalluntersuchung offenbaren dann die genauen Ursachen", erklärt Berkhoff.

Die schmetterlingsförmige Hormondrüse unterhalb des Kehlkopfs spielt eine große Rolle für den Energiestoffwechsel und für den Gesamtorganismus: Vom Knochenstoffwechsel über die Gedächtnisleistung, das Immunsystem, die Verdauung und die Körpertemperatur bis zur Herzfrequenz reicht der Einfluss der Schilddrüse. Sowohl Überfunktion als auch Unterfunktion haben deswegen weitreichende Konsequenzen: "Eine Überfunktion wirkt sich gegebenenfalls auf das Herz-Kreislauf-System durch schnelleren Pulsschlag und Herzrhythmusstörungen aus, bei der Unterfunktion dagegen tritt ein langsamerer Pulsschlag auf. Dasselbe Verhältnis bei Magen und Darm: Durchfall und Gewichtsabnahme bei Überfunktion, Verstopfung und Gewichtszunahme bei Unterfunktion. Psychisch treten bei einer Überfunktion Nervosität und Reizbarkeit auf, bei einer Unterfunktion depressive Stimmungslage und allgemeines Desinteresse. Die Überfunktion lässt alles schneller und intensiver ablaufen, die Unterfunktion macht schlapp und abgeschlagen. Durch Blutwertbestimmung, der Durchführung einer Sonografie und Szintigrafie, einer bildgebenden, nuklearmedizinischen Untersuchung, sind diese funktionellen und morphologischen Störungen gut zu diagnostizieren."

Funktionsstörungen der Schilddrüse können in der Regel mit Medikamenten behandelt werden, bei morphologischen Störungen wie Knoten oder Vergrößerungen gilt es zu beobachten, ob diese Beeinträchtigungen mit sich bringen: "Knoten oder Schilddrüsenvergrößerung betreffen statistisch etwa jeden Dritten in Deutschland. Die Entscheidung, ob diese operativ behandelt werden sollten oder ein kontrolliertes Abwarten vertretbar ist, sollte individuell getroffen werden. Ferner sind hierbei stets Beschwerden, Alter und Begleiterkrankungen bei der Therapieentscheidung zu berücksichtigen. Nur sechs bis acht Prozent der Knoten sind bösartig. Aber selbst Schilddrüsenkrebs hat statistisch eine sehr gute Behandlungsprognose durch die Operation und eine anschließende Radiojodtherapie. Die erste Anlaufstelle ist immer der Hausarzt: Durch Abtasten und die Untersuchung der Schilddrüsenhormone kann Klarheit geschaffen werden." Knoten und Schilddrüsenvergrößerungen entstehen in unseren Breitengraden durch einen Jodmangel, der die Schilddrüse zum Wachsen anregt. "Einer Jodunterversorgung kann aber zum Beispiel entgegengewirkt werden: Jodangereichertes Salz im Rahmen der Ernährung schafft genauso Abhilfe wie regelmäßiger Fischverzehr. In skandinavischen Ländern treten Schilddrüsenerkrankungen aus diesem Grund seltener auf." +++

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