"50 Millionen-Euro-Projekt geplatzt"

Al-Wazir an der Gastro-Front: So hart ist die Branche betroffen!

Hessens Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsident Tarek Al-Wazir (Bündnis 90/Die Grünen) ist zu Gast in Fulda. Die erste Station führte ins Esperanto. Rechts: Geschäftsführer Leo Groll.
Fotos: Carina Jirsch

13.08.2020 / FULDA - Erneut hoher Besuch am Mittwochmorgen in der Domstadt: Hessens Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsident Tarek Al-Wazir (Bündnis 90/Die Grünen) legt im Rahmen seiner Sommertour ausgewählte Zwischenstopps in osthessischen Gastronomie- und Hotelbetrieben ein und informiert sich über die aktuelle Lage im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie: Wie hart hat der Lockdown die Betriebe getroffen? Wie wurden die vergangenen Monate gemeistert? Wie sehen die Perspektiven für die Zukunft aus? Diese und weitere Fragen standen im Fokus der Gespräche.



Die Sommertour startete am Hotel- und Kongresszentrum Esperanto, dem größten Haus der Stadt. Im Anschluss daran folgte unter anderem ein Besuch im Lokal "Heimat" am Buttermarkt und später auch im Landhotel Grashof bei Kalbach (südlicher Kreis Fulda). 

Esperanto: Geplante Erweiterung fällt vorerst ins Wasser

Geschäftsführer des Vier-Sterne-Hotels, Leo Groll, erklärte zu Beginn des Treffens, dass die Corona-Pandemie einem bedeutendem Zukunftsprojekt von 50 Millionen Euro einen Strich durch die Rechnung machte. Geplant sei eine Erweiterung gewesen, die zusätzlich 230 Zimmer schaffen sollte und eine weitere große Halle für Events. "Kurz vor Vertragsunterzeichnung folgte der große Lockdown." 

Prioritäten mussten gesetzt werden: Um den weiteren Betrieb sicherzustellen, musste auf die Rücklagen zurückgegriffen werden. Trotzdem sei die Lage allgemein ernst, so Groll. "Da keine Veranstaltungen bis Ende August geplant sind und Firmen ihre Tagungen kurzfristig stornieren, ist es für uns wie auch für die gesamte Hotellerie eine ungewisse Zukunft." Geschäftskunden, Privatgäste und Veranstalter reagierten noch sehr zurückhaltend. "Die Angst bleibt weiterhin. Eine Tagung mit 100 Personen ist für viele noch zu riskant", erklärt Groll. 

Auch die Sicherstellung der Gesundheit der Mitarbeiter unter Einhaltung der vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen stelle eine große Aufgabe dar. Martin Gremm aus der Geschäftsleitung erläutert dazu: "Wir sitzen auf dem Pulverfässchen. Wenn jemand von den Mitarbeitern wegen Infektionsverdacht in Quarantäne käme, müssten wir zusehen, wie wir Ersatz finden." 

Lösungen sind gefragt

Al-Wazir verdeutlichte zum Schluss, dass die Corona-Krise weiterhin Auswirkungen haben werde. "Für Unternehmen, die davon leben, dass viele Menschen in einem Raum zusammenkommen, ist die derzeitige Situation weiterhin schwer. Es geht um die Existenz des Betriebs und um viele Arbeitsplätze." Mittelfristig müsse nach Lösungen für Veranstaltungen gesucht werden, die sich unter Corona-Bedingungen wirtschaftlich lohnen. "Ansonsten droht nicht nur in Hessen vielen Unternehmen das Aus." 

Heimat-Betreiber: "Wir sind mit Leidenschaft dabei und geben nicht auf."

Die nächste Station führte in die "Heimat" in der Fuldaer Innenstadt. Paul Pawlowski-Rothenbücher und Felix Wessling mussten ihre Räumlichkeiten schließen. "Wir haben in der Zeit nach kreativen Ideen gesucht und zusammen mit der Pappert-Bäckerei einen Pop-up-Store eröffnet", so Wessling. Bei dem Konzept konnten Kunden belegte Brote mitnehmen. Die Inhaber beantragten darüber hinaus die Corona-Soforthilfe von über 15.000 Euro. "Dadurch mussten wir zum Glück keine Festangestellten entlassen." Auch das zweite Standbein als Betreiber von verschiedenen Ständen an Festen fiel komplett weg. 

Die Corona-Auflagen sorgen auch hier für Einschränkungen. "Wir können nur die Hälfte der Sitzplätze zur Verfügung stellen - dabei lebt unser Lokal von Geselligkeit und Nähe. Besonders in den Abendstunden merken wir einen deutlichen Unterschied", erklärt Pawlowski-Rothenbücher. "Wir machen das alles sehr gerne und mit Leidenschaft, aber keiner weiß, wohin die Reise geht", fügt Wessling hinzu. Was bleibt sind die Sorgen - vor allem in Hinblick auf die kältere Jahreszeit. Momentan sei die Nutzung des Außenbereichs die Rettung.

Familienbetrieb Grashof: "Wir lassen uns von Corona nicht kleinkriegen!"

Im Landhotel Grashof, einem Familienbetrieb in der dritten Generation, wollte und will sich Inhaber Karsten Klauschke von Corona nicht "klein kriegen lassen". Er sagte: "Wir haben in einen Online-Shop investiert, der im September startet. Bis jetzt sind wir, auch dank der 30.000 Euro Corona-Soforthilfe, mit einem blauen Auge davongekommen. Wir mussten zwar Kurzarbeit anmelden, aber niemanden entlassen." Am 15. Mai konnte das Hotel mit 36 Zimmern und 70 Betten wieder geöffnet werden.  

"Das Landhotel zeigt mit dem Online-Angebot und dem Hygienekonzept, wie es gehen kann. Vor allem verdeutlicht es: Wer ein alternatives Konzept startet und vorher schon erfolgreich war, der kann sich schneller wieder berappeln als andere", sagte Al-Wazir. (Maria Franco) +++

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