"Schreiben ist wie küssen"

Projektion der Sehnsucht: Stehende Ovationen für "Gut gegen Nordwind"

Ralf Bauer (Leo) und Ann-Cathrin Sudhoff (Emmi) glänzen in "Gut gegen Nordwind" in der Bad Hersfelder Stiftsruine.
Fotos: Festspiele / Steffen Sennewald

10.08.2020 / BAD HERSFELD - Es ist eine ungewöhnliche und zutiefst berührende Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen, die sich nie begegnen, jedoch eine virtuelle Welt erschaffen, von der sie nicht mehr loskommen. Stehende Ovationen haben Ann-Cathrin Sudhoff und Ralf Bauer für ihre Darbietung in Daniel Glattauers "Gut gegen Nordwind" vor ausverkauftem Haus in der Bad Hersfelder Stiftsruine geerntet.



Eine fehlgeleitete Mail sorgt für Chaos im Leben des Sprachwissenschaftlers Leo (Ralf Bauer), der eine On- und Off-Beziehung mit Marlene führt, und der verheirateten Homepageexpertin Emmi (Ann-Cathrin Sudhoff). Aus Höflichkeit antwortet Leo auf die von Emmi irrtümlich versendeten Nachrichten. Zwischen den beiden entspinnt sich zunächst ein witziger schriftlicher Austausch, bei dem sie sich Geschlechterstereotypen an den Kopf werfen.

"Kommunikation im luftleeren Raum"

Freilich entwickelt sich aus "der Kommunikation im luftleeren Raum" mehr: Emmi und Leo verlieben sich ineinander und pflegen fortan einen recht intimen Dialog. "Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf. Ich habe mich in Ihre Worte verliebt", mailt der Sprachwissenschaftler. "Ach Leo, Sie sind ja fantastisch gut gegen Nordwind", lautet Emmis Liebeserklärung.

Und immer steht die Frage zwischen den beiden im Raum: "Können wir das leben, was wir schreiben?"

Ann-Cathrin Sudhoff und Ralf Bauer machen den Zuschauern auf ergreifende Weise glaubhaft, dass ein begehrenswertes Bild des anderen aus der Sprache heraus entstehen kann. Emmi und Leo können nicht ohneeinander und denken den ganzen Tag aneinander. Zu einer realen Begegnung zwischen den beiden Protagonisten wird es aber niemals kommen. Eine wundervolle Inszenierung, die zwischen überbordender Romantik und zarter Melancholie changiert. (Stefanie Harth) +++

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