Dieser Name ist Programm
Initiative "Du bist hier der Chef" bringt faire Milch in die Regale
Initiator von "Du bist hier der Chef!" Nicolas Barthelmé ist zu Recht stolz auf das Produkt
Foto: privat
21.07.2020 / FULDA -
Die Idee ist so simpel wie überzeugend: Verbraucher stimmen online darüber ab, wie die Lebensmittel produziert und vermarket werden sollen, die wir tagtäglich konsumieren. Landwirte und Handel folgen der Mehrheit der Verbraucherwünsche und stellen genau solche Produkte in die Regale. Die ursprünglich aus Frankreich stammende Initiative "Du bist hier der Chef" macht's möglich: seit Montag kann man bei Rewe Bio-Milch kaufen, die genau nach diesen Wünschen hergestellt wurde. 9.300 Verbraucherinnen und Verbraucher haben für die nachhaltigen Produktionskriterien gevotet.
Und die Mehrheit der Konsumenten weiß offensichtlich genau, was sie will: Die Milch soll von gesunden Kühen aus der Region stammen, den Tieren soll es gutgehen und der Preis soll dem Landwirt zugutekommen, damit er davon leben kann. Auf diesen knappen Nenner kann man die Wünsche der Konsumenten bringen. Im Detail heißt das, dass die Kühe mindestens vier Monate im Jahr draußen auf der Weide zubringen, auch während der Stallperiode Frischfutter bekommen und nach dem Tiergerechtheitsindex artgerecht gehalten werden. Bis hin zur Nachhaltigkeit der Verpackung bestimmen die Kunden die Qualität des Produkts mit. Die Bio-Milch wird jetzt in 400 Rewe-Märkten - unter anderem auch in Fulda - verkauft und kostet mit 1,45 Euro pro Liter mehr als die der Konkurrenz. Von dieser Summe bekommt der Bauer 58 Cent, das sind 11 Cent mehr als im Bundesdurchschnitt - und das garantiert für die nächsten drei Jahre. Auch über diese Fairnessregel haben die Milchkunden mehrheitlich abgestimmt. Die oft als Sparbrötchen abqualifizierten deutschen Lebensmittelkunden schauen also nicht nur auf ihr Portemonnaie, sondern durchaus auch auf das Wohl der Tiere und den Verdienst der Landwirte.
Negativ-Beispiel Fleischindustrie
Initiator Nicolas Barthelmé aus Eltville am Rhein hat den Verein "Du bist hier der Chef!" mit acht Gleichgesinnten vor einem Jahr gegründet. Wie der 44-Jährige stammt die Idee "C´est qui le patron?!" aus Frankreich. Dort sind mittlerweile schon über 30 verbraucherorientierte Produkte auf dem Markt . Er hat am Montag dauernd Pressevertreter am Telefon gehabt und freut sich über die Riesenresonanz. "Am letzten Dienstag wurde die erste Milch produziert, am Samstag konnte ich den allerersten Pack im Supermarkt kaufen!"
Hat Corona ein bisschen dabei geholfen, sich mehr dafür zu interessieren, wo und wie unsere Grundnahrungsmittel hergestellt werden? Das bejaht Barthelmé: "Tönnies ist das perfekte Beispiel dafür, dass wir unbedingt wissen sollten, was hinter den Werkstoren tatsächlich passiert." Die Zeit sei reif dafür, dass die Verbraucher nicht nur eine Entscheidung darüber treffen können, was sie kaufen und was nicht. "Wir wollen die Kontrolle über unsere Ernährung zurückerlangen, indem wir zusammen den Kreationsprozess zu wertvollen, fairen und nachhaltigen Produkten von der Produktion bis hin zur Vermarktung selbst bestimmen und damit verantwortungsbewusstes Handeln stärken. So möchten wir unser Konsumverhalten positiver gestalten und die Macht ausüben, die uns bei jeder Kaufentscheidung zusteht", so das Credo des Betriebswirts.
Mit Eiern und Kartoffeln geht es weiter
Und die Initiative beschränkt sich nicht auf die Milch. "Mit welchen Produkten wir weitermachen, entscheiden ebenfalls die Verbraucher per Voting auf unserer Webseite. Gesunde, fair produzierte und gehandelte Eier stehen kurz vor dem Start, Kartoffeln, Mehl, Butter und Honig werden folgen", kündigt der 44-Jährige an, der selbst viele Jahre in Marketing und Vertrieb im Lebensmittelhandel gearbeitet hat.
Patrick Linn vom Fuldaer Rewe-Markt in der Dalbergstraße hat die neue Milch am Montag eingeräumt, schon mittags war die Hälfte verkauft. "Der Kunde kauft gern Produkte, bei denen er mitentscheiden durfte", ist er überzeugt. "Wir sind gerne bereit auch weitere Produkte von "Du bist hier der Chef" in unser Sortiment aufzunehmen", sagt er. Weitere Händler haben bereits angekündigt, nachzuziehen. Offenbar hat hier jemand genau den Nerv der Verbraucher getroffen und bislang alles richtig gemacht. (Carla Ihle-Becker)+++