Handwerk mit langer Tradition
Zeitzeuge Ferdinand Stein: Von der Weberei bis zur industriellen Textilfertigung
Fotos: Karl-Heinz Burkhardt
19.07.2020 / BAD SALZSCHLIRF/HÜNFELD/SCHLITZ -
Die Textilherstellung im Landkreis Fulda hat eine lange Tradition. Viele tausend Menschen arbeiteten bis vor wenigen Jahrzehnten noch in dieser Branche. Man denke an die großen Textilwerke wie etwa die Fuldaer Firmen Wighardt und Mehler oder in Hünfeld Pfeffermann, Latsch, Willy Maak und Puszta-Moden. Für auszubildende Näherinnen gab es eigens eingerichtete Berufsschulklassen.
Steins Vater entwickelte ein Verfahren, mit dem sich ohne Schwierigkeiten auf mechanischen Webstühlen auch lanciertes Gewebe herstellen ließ. Nicht nur im eigenen Betrieb waren Mitarbeiter beschäftigt, sondern es wurden auch Arbeiten an dörfliche Handwebereien vergeben. So arbeitete man beispielsweise mit Webmeister Heinrich Steube in Burghaun-Langenschwarz zusammen, ein Spezialist, wenn es sich um außergewöhnliche Webarbeiten handelte. Auch die Willingshäuser Malerkolonie (in der Schwalm), die älteste Künstlervereinigung in Europa, wurde in die Erarbeitung von Druckentwürfen einbezogen. Ihr gehörten damals bekannte Künstler wie Carl Banzer und Otto Ubbelode an.
Die Damastweberei mit Jaquardstühlen – als man ausländische Maschinengarne noch nicht kannte – war mit einzelnen Ausnahmen aber nur in Schlitz zu Hause. Als diese zurückging, entwickelte sich hier die Bild- oder Drellweberei. An die großen, hell leuchtenden Leinenbleichen erinnern sich noch ältere Mitbürger. Großflächig "flatterten" die weißen Leinentücher im Wind. Die Bleiche in der Burgenstadt galt um 1848 als die beste im Lande und erwarb sich den Ruf, dass das dortige Bleichverfahren die Haltbarkeit der Leinwand nicht gefährde. Hier existierten neun Bleichen, auf denen sich sechs- bis siebentausend Stück Leinenstoffe von je 30 Ellen (eine Elle entspricht 1,143 Meter) bleichen ließen.
Ferdinand Stein hat alle Epochen der Leinenweberei miterlebt. Besonders stolz ist der Chronist auf eine Auszeichnung, die sein Vater 1904 anlässlich einer Ausstellung der "Darmstädter Künstlerkolonie" unter der Schirmherrschaft seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs Ernst Ludwig von Hessen und Beirhein erhielt. Stein gehört dem Fuldaer Geschichtsverein an und wurde aufgrund seiner vielfältigen Tätigkeiten, vor allem auf dem Gebiet der Archäologie, mit der Cuno-Raabe-Plakette geehrt. (pm) +++