Ab 2021 auf PVG-Gelände

Schneewittchensarg und Expansion: Reinhold Friedrich ist auch mit 70 umtriebig

Reinhold Friedrich am Volvo P1800 ES , dem "Schneewittchensarg"
Fotos: Marius Auth

15.07.2020 / FULDA - Schneewittchensarg, NCO-Club, Bay City Rollers: Wenn Reinhold Friedrich sein Fotoalbum auspackt, wird Lokalgeschichte lebendig. Dabei ist der 70-Jährige seit 1973 "nur" Chef des Volvo-Autohauses Friedrich und Maier. Aber die Leidenschaft fürs Automobil, ob schwedisch, englisch oder amerikanisch, hat dem "Fuldaer Jung" neben langen Abenden unter der Motorhaube immer wieder ungewöhnliche Kundschaft gebracht. Ans Aufhören denkt Friedrich noch lange nicht: 2021 soll expandiert werden, auf dem Gelände der PVG Presse-Vertriebs-Gesellschaft im Kohlhäuser Feld.


Der ehemalige Unteroffiziersclub der Amerikaner in Fulda, der NCO-Club, war früher Anziehungspunkt für die fuldische Jugend - und hat Friedrich bereits in jungen Jahren die finanziellen Mittel für seine Autoleidenschaft gebracht: "Ich habe damals im Club gearbeitet, zu Zeiten des 4:1-Wechselkurses. Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen, ein Dollar war vier Mark wert. Da konnte man schnell große Sprünge machen." Nach einer kaufmännischen Lehre bei Juchheim und der Bundeswehrzeit übernahm Friedrich mit Ehefrau Maria die JET-Tankstelle in der Frankfurter Straße: "Morgens um 5:30 Uhr wurde aufgemacht, auch am Wochenende durchgearbeitet. Der Bedarf war groß, die Lage damals ideal." 1970 fing Friedrich als Verkäufer im Autohaus Fink in Petersberg an, zwei Jahre später übernahm er dort die Pkw-Sparte. Im Dezember 1973 gründete er mit Partner Peter Maier das Autohaus "Friedrich und Maier" in der Dr.-Raabe-Straße. Acht Jahre später schied Maier aus, Friedrich machte mit Ehefrau Maria weiter - bis die Räumlichkeiten vor Ort zu klein wurden: 1983 wurde am jetzigen Standort in der Innstraße ein Gewerbegrundstück gekauft, auf dem eine große Kfz-Halle errichtet wurde. 1986 erfolgte der Umzug in Räumlichkeiten der Firma Keil/Flamme in der Weichselstraße, bis es 1993 mit einem kompletten Neubau in der Innstraße weitergehen konnte.

"Rückblickend war 1973 nicht die beste Zeit, ein Autohaus aufzumachen: Ölkrise und Sonntagsfahrverbot haben für die Händler starke Einbußen mit sich gebracht. Aber wir haben uns auf Marken konzentriert, die für Zuverlässigkeit und Robustheit standen." Neben Volvo-Fahrzeugen wurden anfangs Autos der British Leyland Motor Corporation von Jaguar und Land Rover bis zum Kultfahrzeug Mini Cooper verkauft. Die Friedrich-Mechaniker waren auch auf Exoten-Fabrikate eingestellt, was die ungewöhnlichste Begegnung in der Firmengeschichte mit sich brachte: "Die Bay City Rollers, damals beinahe so bekannt wie die Beatles, waren auf der Fahrt nach Hamburg zu einem Konzert mit ihrem Rolls Royce auf der Autobahn bei Fulda mit einem Motorschaden liegengeblieben. Der ADAC hat den Chauffeur zu uns geschickt, plötzlich stand der Rolls Royce vor der Tür. Ich gehe zu meinem Mechaniker in die Werkstatt, sage: 'Draußen stehen die Bay City Rollers, wir müssen ihren Rolls Royce reparieren.' Sagt der nur ganz cool: 'Ja, und bei mir zuhause sind die Beatles - und ich bin trotzdem hier.' Das Luxus-Gefährt stand dann ein paar Tage bei uns auf dem Hof, das hat sich rumgesprochen und bald hatten wir junge Mädchen auf dem Gelände, die wenigstens das Fahrzeug der Superstars sehen wollten. Kann man sich heute auch nicht mehr vorstellen."

Nachdem die British Leyland Motor Corporation 1976 insolvent wurde und die Marken in den darauffolgenden Jahren ausgegliedert wurden, ging es für Friedrich mit Volvo alleine weiter, bis heute: "Einen Volvo konnte damals jedes Kind malen, wie ein Kasten war der. Es waren die inneren Werte, die gezählt haben: zuverlässig und treu. Wie die Kunden. Der Kultfaktor kam erst später, die Schönheit noch später." Nicht zuletzt der Volvo-Gebietsschutz bis Frankfurt, Kassel und Würzburg macht das Fuldaer Autohaus zur Anlaufstelle für Volvo-Fans aus der ganzen Region, inzwischen können Volvo-SUV wie der XC90 zuverlässig, schnell und elegant. Friedrich steht im Oldtimer-Keller am "Schneewittchen-Sarg", dem legendären Volvo P1800 ES, nicht nur das Auto, sondern auch das Geschäft hat sich über die Jahrzehnte verändert. "Gewerbekunden leasen heute alle. Die Fahrzeuge kommen also nach spätestens drei Jahren zurück. 40 Prozent der Rückläufer gehen direkt ins Ausland. Dieser Verschiebebahnhof braucht viel Platz."

Bereits 2017 hat Friedrich deshalb die Liegenschaft der PVG Presse-Vertriebs-Gesellschaft in der Christian-Wirth-Straße gekauft, ab 2021 soll dort auf insgesamt 18.000 Quadratmetern das Autohaus Friedrich und Maier neuerstehen, inklusive Tiefgarage. "Ich freue mich auf die Herausforderung. Das Wort 'Urlaub' habe ich nicht im Vokabular - in 47 Jahren hatte ich einen Tag frei, zur Hochzeit meiner Tochter. Außerdem habe ich ja meinen Sohn, da ist alles in guten Händen." Florian Friedrich hat nach dem Studium der Wirtschaftsmathematik im Familienbetrieb angefangen und ist heute Mitglied der Geschäftsführung. (mau) +++

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