Zoll kontrolliert vermehrt

Möbeldiscounter Poco wehrt sich gegen Betrugsvorwürfe bei Kurzarbeitergeld

Auf Betrug mit Kurzarbeitergeld wird derzeit vermehrt kontrolliert
Fotos: Zoll

04.07.2020 / REGION - Der Möbeldiscounter Poco mit 8.500 Mitarbeitern und 125 Filialen steht laut Branchendienst "Business Insider" im Verdacht, in mindestens fünf verschiedenen Fällen bei der Beantragung von Kurzarbeitergeld betrogen zu haben. Demnach ermittele wegen möglichem Kurzarbeitergeld-Betrugs sowohl die Bundesagentur für Arbeit als auch der Zoll. Mitarbeiter und Betriebsräte aus mindestens fünf verschiedenen Filialen in Nordrhein-Westfalen hätten sich an die Behörden gewandt und berichtet, sie seien offiziell in Kurzarbeit geschickt worden, hätten aber während dieser Zeit tatsächlich normal gearbeitet oder sogar Überstunden gemacht. Diese tatsächlichen Arbeitszeiten seien von den Beschäftigten per Hand erfasst worden, lauten die Vorwürfe von "Business Insider" in der Ausgabe vom 1. Juli 2020. 

Auf die unsere Bitte um eine Stellungnahme erklärt die Poco Einrichtungsmärkte GmbH, sie setze sich mit aller Entschiedenheit gegen Unterstellungen zur Wehr, das Unternehmen habe staatliche Hilfen missbraucht. Der Discounter tritt insbesondere dem Vorwurf, er habe Kurzarbeitergeld-Betrug begangen, entgegen. Nach der bundesweiten Schließung am 18. März 2020 habe Poco für den April 2020 mit den Mitarbeitern Kurzarbeit vereinbart und entsprechende Anträge bei der Bundesagentur gestellt. Am Montag, den 20. April 2020, habe Poco die Filialen wieder öffen dürfen. Entsprechend sei selbstverständlich die Anpassung der Kurzarbeit erfolgt. Die damit notwendigen Korrekturen der Lohnabrechnungen und Zeiterfassungen seien im Mai in Abstimmung und im Einvernehmen mit der Arbeitsagentur erfolgt. Poco habe keine Kenntnis von einem Ermittlungsverfahren des Zolls oder der Arbeitsagentur wegen Verstößen im Zusammenhang mit der Gewährung von Kurzarbeitergeld. "Poco hält die Regeln ein und wird unberechtigte Vorwürfe nicht dulden", schreibt das Unternehmen.

Missbrauch kann nie ganz ausgeschlossen werden

Die O|N-Redaktion hat aus gegebenem Anlass den hiesigen Chef der Arbeitsagentur, Waldemar Dombrowski gefragt, ob es in der Region schon ähnliche Vorwürfe gegen Unternehmen gegeben habe. Er erklärt aktuell dazu: "Das Instrument der Kurzarbeit verhindert in der aktuellen Pandemiekrise einen weiteren und starken Anstieg der Arbeitslosigkeit. Im Bezirk meiner Arbeitsagentur werden dadurch tausende von Beschäftigungen abgesichert." Doch Missbrauch von Lohnersatzleistungen könne nie gänzlich ausgeschlossen werden. Auch während der Finanzkrise 2008/2009 seien einige Betrugsfälle festgestellt worden. Doch die Hürden für einen eventuellen Missbrauch bei der Kurzarbeit seien verhältnismäßig hoch. So müsse der Arbeitgeber über die Dauer und den Umfang des Arbeitsausfalls für jeden Beschäftigten eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat oder – sofern kein Betriebsrat vorhanden ist - mit jedem betroffenen Arbeitnehmer schließen. Bei der Anzeige von Kurzarbeit seien diese Vereinbarungen vorzulegen und bei der konkreten Beantragung müssten detaillierte Gehalts- beziehungsweise Lohnlisten eingericht werden. Die Leistungen würden seitens der Bundesagentur zunächst vorläufig bewilligt. Die spätere Abschlussprüfung beinhalte unter anderem stichprobenartige Kontrollen. "Bei Feststellung eines Leistungsmissbrauch drohen strafrechtliche Konsequenzen. Erfahrungsgemäß wird das Instrument der Kurzarbeit von den allermeisten Arbeitgebern sehr verantwortungsvoll und rechtskonform eingesetzt", ist sich Dombrowski sicher.

Zoll kontrolliert vermehrt - "handfester Sozialbetrug"

Der Pressesprecher des Hauptzollamts Gießen, Michael Bender erläutert dazu, dass die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) mit 240 Mitarbeitern derzeit auch Kurzarbeitergeld-Zahlungen überprüfe, auch wenn in erster Linie die Bundesagentur für Arbeit für die Überprüfungen verantwortlich sei. Zoll und Bundesagentur arbeiteten hier zusammen und tauschten sich aus. In der Vergangenheit habe es diesbezüglich Ermittlungsfälle in Nordhessen im Zusammenhang mit der damaligen Finanzkrise gegeben, um Betrügereien aufzudecken. Hinweise auf Verstöße oder Hinweise von Beschäftigten hinsichtlich etwaiger Betrügereien lägen aber aktuell nicht vor. 
 
Zur Aufdeckung von Betrugsfällen stünden der FKS weitreichende Kompetenzen zu, um in den Betrieben durch Geschäftsunterlagen-Prüfungen Hinweise auf Betrugsfälle zu erlangen. Bei einem Anfangsverdacht könnten durch strafrechtliche Ermittlung zusammen mit den Staatsanwaltschaften tiefere Einblicke in die Geschäftsgebaren erlangt werden und auch Zeugenaussagen herbeigeführt werden.
 
Bender betont, dass es sich hierbei keineswegs um Kleinigkeiten oder Kavaliersdelikte handele - auch nicht in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, wie sie durch die Corona-Pandemie hervorgerufen worden seien. "Das ist handfester Sozial-Betrug mit großen Schäden für die Staatskassen und zu Lasten der Allgemeinheit", so der Pressesprecher abschließend.(Carla Ihle-Becker)+++

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