Krokodilstränen?
Gerichtliches Nachspiel nach Trunkenheitsfahrt mit Blaulicht
Fotos: Julius Böhm
23.06.2020 / GERSFELD -
Mit Blaulicht und hohem Tempo
Der mittlerweile 40-jährige Angeklagte musste sich wegen der Trunkenheitsfahrt am Dienstag vor dem Amtsgericht verantworten. Er ist kein unbeschriebenes Blatt, sondern hat bereits Vorstrafen wegen Beleidigung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und einer Trunkenheitsfahrt. Die Blaulichtbenutzung ist als Amtsanmaßung und die Behauptung, ein nicht existenter Sascha sei gefahren, als Vortäuschung einer Straftat angeklagt. Über das, was ihm zur Last gelegt wird, schüttelt der Angeklagte immer wieder den Kopf und vergießt auch ein paar Tränen. "Ich bin maßlos enttäuscht über mich", äußert er mehrfach und entschuldigt sich auch. Doch zur Aufklärung der Hintergründe trägt er wenig bei. Das Blaulicht sei ein Geburtstagsgeschenk gewesen, das er zufällig im Auto hatte. Zum erfundenen Sascha kann er nichts sagen, da versagt die Erinnerung. Immerhin räumt er ein, dass sich der Unfall so zugetragen hat und er gefahren ist. Das hat ein DNA-Test der Airbags eindeutig erwiesen.
Sein damaliger Beifahrer will ebenfalls keinerlei Erinnerung mehr an das Geschehen haben. "Ich hatte den totalen Filmriss", behauptet er. Da wird Staatsanwalt Michael Craß energisch und droht, ihn wegen uneidlicher Falschaussage anzuklagen. Denn seiner Anwältin gegenüber hatte der Zeuge eingeräumt, dass er Beifahrer gewesen sei. "Wenn Sie das noch wissen, können Sie auch keinen Filmriss gehabt haben - schon gar nicht bei 1,7 Promille." Immerhin bringt er den 35-Jährigen zu der späten Einsicht: "Das war absoluter Mist, was wir gemacht haben."
Richter Johannes Winter folgt schließlich in seinem Urteil dem Plädoyer des Staatsanwalts und verhängt eine fünfmonatige Haftstrafe, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt ist. Außerdem hat der 40-Jährige Fahrverbot für ein halbes Jahr und muss 500 Euro an "Ärzte ohne Grenzen" zahlen. Zu seinen Gunsten wertete das Gericht die günstige Sozialprognose seiner Bewährungshelferin, die Tatsache, dass er seit einem Jahr keinen Alkohol mehr trinkt und einer geregelten Arbeit als Gebäudereiniger nachgeht. Trotz seines geringen Verdienstes zahlt er Unterhalt für seine beiden Kinder. Richter Winter ermahnte ihn zum Schluss: "Sie müssen sich jetzt bewähren, sonst kommen Sie ins Gefängnis!" (Carla Ihle-Becker)+++