Digitale Podiumsdiskussion
Wirtschaften in der Krise: "Corona wirkt wie ein Brandbeschleuniger"
Fotos: Marius Auth
23.06.2020 / FULDA -
Bis vor Kurzem herrschte in der Region Fulda quasi Vollbeschäftigung, Ende Mai 2020 hatten dagegen 40 Prozent der IHK-Betriebe Kurzarbeit angemeldet. Wie bewerten regionale Unternehmen die Coronakrise, wann kehrt endlich wieder Normalität ein? Um diese Fragen zu beantworten, hatten die Wirtschaftsjunioren Fulda Experten aus Wirtschaft, Politik und Medizin am Montagabend zur digitalen Podiumsdiskussion geladen.
Der wirtschaftliche und vor allem gesundheitliche Schaden hätte allerdings wesentlich höher ausfallen können, wenn die Präventionsmaßnahmen der Politik halbherziger ausgefallen wären, gibt Prof. Dr. Peter Kern vom Klinikum Fulda zu bedenken: "Anfang März hatten wir es noch mit einer relativ unbekannten Epidemie zu tun. Eine Mortalität von fünf Prozent und steigende Infektionszahlen auch in Deutschland haben das Notprogramm dann zur einzig richtigen Entscheidung gemacht. Die große Überraschung: Wir konnten die Welle abbremsen durch all die Präventionsmaßnahmen. Wenn nicht, hätten wir, siehe Norditalien und Frankreich, der Exponentialdynamik nicht viel entgegensetzen können. Die Einsicht und Disziplin der Bürger hat den Erfolg gebracht - und wird ihn auch weiter bringen." Für wie viele "Wumms"-Konjunkturpakete noch Luft sei, wollte Räth vom Bundestagsabgeordneten Brand wissen. "Wir werden uns auf jede Schwierigkeit einstellen, weil wir müssen. Schnelles und beherztes Handel war wichtig und richtig - als Antwort in der Krise und auch Investition in die Zukunft. Gleichzeitig haben wir auch eine Verantwortung gegenüber Geldwertstabilität und Generationengerechtigkeit, auch darauf achten wir."
Als Schnittstelle zur Bundespolitik habe sich der Fuldaer in den letzten Monaten plötzlich sozusagen auch in der Beraterrolle wiedergefunden: "Ich hatte Unternehmer wie Beschäftigte aus der Region weinend am Telefon, da wird Krisenberatung natürlich zum Teil der Arbeit. Wo gibt es welches Programm, was ist gerade in der Planung, wie kann man schnell vermitteln?", erklärt Brand.
1.500 Beratungsgespräche hätten die fünf bis sieben Mitarbeiter der IHK Fulda in Sachen Corona-Soforthilfe geführt, beim Land Hessen seien 135.000 Anträge eingegangen, mehr als 900 Millionen Euro wurden bereits bewilligt, erklärt Konow, der gleich am ersten Tag seiner neuen Tätigkeit "im Krisenmodus" gestartet sei. Vom Soloselbstständigen bis zum soliden Mittelständler hätte die Krise alle erwischt, wie eine Naturkatastrophe. "Die Summe der großen Verlierer ist größer als die der Gewinner: Im Onlinehandel und in Teilen der Industrie konnte profitiert werden. Aber die Kulturwirtschaft, die Gastronomie, auch unsere heimischen Zulieferbetriebe der Automobil- und Luftfahrtindustrie, die ohnehin schon vom Strukturwandel betroffen sind, da gibt es die großen Verluste." Wie ein Brandbeschleuniger verstärke Corona die Trends und zeige die Probleme schonungslos auf: "Selbst Menschen, die vorher nicht internetaffin waren, haben jetzt das Onlineshopping besser kennengelernt." (mau) +++