Seltene Einmütigkeit
Heftige Kritik: Corona und Landesentwicklungsplan beschäftigen den Kreistag
Der Fuldaer Kreistag tagte am Montagnachmittag im Gemeindezentrum in Neuhof
Fotos: Henrik Schmitt
23.06.2020 / NEUHOF -
Corona und der Landesentwicklungsplan des hessischen Wirtschaftsministeriums (LEP) haben bei der Kreistagssitzung am Montag in Neuhof viel Redezeit für sich beansprucht. In seltener Einmütigkeit hagelte es Kritik am LEP-Entwurf von allen Fraktionen einschließlich der Grünen, die ihrem Wirtschaftsminister Tarek Al Wazir hier überhaupt nicht grün waren. Bei der Abstimmung waren sich alle Kreistagsabgeordneten in ihrem vehementen Widerstand dagegen einig: der Entwurf wurde einstimmig abgelehnt. Das Ministerium soll hier unbedingt nachbessern und keine nachteiligen Tatsachen für Osthessen schaffen.
Einig waren die Kreistagsabgeordneten gegen einen Gegner in Wiesbaden, der offensichtlich an der Lebenswirklichkeit der Menschen vor Ort vorbeiplant, lautete die übereinstimmende Kritik. Landrat Bernd Woide und Dr. Norbert Herr (beide CDU) erläuterten die Knackpunkte der Raumplanung, die den Landkreis Fulda unterm Strich viel Geld, nämlich 6,5 Millionen Euro kosten würden. Nur in Hessen sei der Entwicklungsplan an den Kommunalen Finanzausgleich (KFA) gekoppelt. Die Einstufung der Kommunen im Landkreis Fulda im LED von bisher ländlichem zu dann verdichtetem Raum koste den bisherigen Zuschlag beim KFA. Im neuen LED-Entwurf sind Neuhof, Flieden, Eichenzell, Fulda, Künzell und Petersberg hochgestuft worden.
Kritikwürdig sei die Definition von ländlichem und vedichteten Raum, die auschließlich die Arbeitsplatzdichte als Grundlage dafür ausweist. Die Einschätzung, diese Kommunen lägen an der Entwicklungsachse Rhein-Main-Gebiet/Fulda und würden künftig wirtschaftlich davon profitieren und sich weiter gut entwickeln, rechtfertige nicht, sie bereits jetzt höher einzustufen, sagte der Landrat. Er wies besonders darauf hin, dass die Grundlagen der Planung aus einer Zeit stammten, als noch niemand an Corona gedacht habe. "Dass die Fraport AG und die größte deutsche Fluglinie inzwischen kurz vor der Insolvenz stehen, konnte sich doch niemand vorstellen. Man wird die Prosperität generell nach Corona ganz neu bewerten müssen. Diese Entwicklichungsachse Rhein-Main ist nicht mehr positiv", mahnte der Landrat an. Der hessische Wirtschaftsminister habe im Interview mit der Fuldaer Zeitung die Kritiker aufgefordert, sich nicht aufzuregen. "Wir sagen, trotzt den Anfängen!", sagte Woide.
Dr. Norbert Herr erklärte, warum das Thema in der Bevölkerung so große Unruhe auslöse. Das wecke ungute Erinnerungen an die verpfuschte Gebietsreform der 1970er Jahre. Er bekomme viele Anrufe besorgter Bürger, die die geplanten Änderungen fürchteten und ablehnten.
SPD-Fraktionsvorsitzender Michael Busold lobte die vom Landkreis vorgelegte Stellungnahme gegen die Planung, die die Plausibilität der fundierten Gegenargumente bestens herausgearbeitet habe. Dem schlossen sich auch die Redner aller anderen Fraktionen an. Sogar die Grünen zeigten sich enttäuscht über die Fehlplanung aus Wiesbaden. "Wenn man Fulda als verdichten Raum als eine künftig umzusetzende Vision nimmt, dann brauchen wir vor allem eine Übergangsfinanzierung, um das auch realisieren zu können", sagte Fraktionsvorsitzende Deborah Müller-Kottusch.
FDP-Fraktionsvorsitzener Mario Klotzsche fand ebenfalls deutliche Worte gegen die Planung. Es sei eine Ungerechtigkeit, über die Köpfe der Betroffenen hinweg zu entscheiden. "Keiner hört auf die Bürger, die doch ganz genau wissen, wo sie hingehören! Redet mit uns!", forderte er die Landesregierung auf.
Auch Thomas Grünkorn sprach sich für die CWE ausdrücklich gegen den LEP aus: "Wenn das realisiert würde, wären wir die Verlierer. Das kann auf keinen Fall hingenommen werden." Als Zumutung und undemokratisch bemängelte Grünkorn die Tatsache, dass eine Beantwortung der Stellungnahme des Kreises durch das Ministerium gar nicht vorgesehen sei. Alle Fuldaer Landtagsabgeordneten sollten sich in Wiesbaden dafür einsetzen, dass die den Kreis Fulda benachteiligende Planung zurückgenommen werde.
Kredit für Klinikum bewilligt
Mit großer Mehrheit billigten die Kreistagsabgeordneten den Vorschlag des Haupt- und Finanzausschusses, dem Klinikum Fulda einen Liquiditätskredit zur Aufrechterhaltung des Betriebs und die Bereitstellung einer außerplanmäßigen Auszahlung von bis zu 10 Millionen Euro zu gewähren.
Um die Sitzung zeitlich zu begrenzen, wurde einstimmig beschlossen, die 22 Anfragen aller Fraktionen ausschließlich schriftlich zu beantworten.(Carla Ihle-Becker)+++