An der Albert-Schweitzer-Schule
Gewappnet für die großen Veränderungen des Lebens: Entlassungsfeier der AvH
Foto: Thomas Kotlorz
22.06.2020 / ALSFELD -
Als vor gut drei Monaten die Schulen ihre Tore schlossen und noch nicht einmal klar war, ob die Abiturprüfungen überhaupt würden stattfinden können, war der Tag der Zeugnisverleihung – eine gesetzte Größe zum Abschluss der Schulzeit, wie viele andere Pläne auch, ungewiss geworden. Doch nun, am vergangenen Freitagabend, saßen 84 frischgebackene Abiturientinnen und Abiturienten in der Aula der Albert-Schweitzer-Schule in der Krebsbach und nahmen die Zeugnisse ihrer Allgemeinen Hochschulreife entgegen. Oder besser gesagt, sie nahmen sie sich selbst vom "Zeugnis-Buffet", das die Schulleitung für sie angerichtet hatte – nur ein Umstand von vielen anderen, die den Schulabschluss in Zeiten von Abstands- und Hygieneregeln zu einem mehr als besonderen machten. Dennoch: Die Abiturientinnen und Abiturienten ließen sich das Feiern über ihre bestandenen Prüfungen nicht nehmen und zeigten, wie verantwortlich man das in solchen Zeiten tun kann.
"Ihr seid die Helden der Stunde", rief Bianca Eichenauer, Vorsitzende des Schulelternbeirats, per Bildschirm den Absolventen zu. Das Corona-Thema solle dieses Ereignis nicht bestimmen, sondern die Erinnerung an geschmierte Pausenbrote, nachgelieferte Turnbeutel und zahllose Taxifahrten. Neben sich selbst könnten die Abiturientinnen und Abiturienten daher auch ihren Eltern auf die Schulter klopfen, genauso wie ihren Lehrkräften. Eichenauer dankte den scheidenden Schülerinnen und Schülern dafür, dass sie sich eingebracht und die Werte des Gymnasiums mit Leben gefüllt hätten.
Das Glas auf ihre ehemaligen Mitschülerinnen und Mitschüler erhob ebenfalls aus der Ferne Paulina Georg von der Schülervertretung. "Schaut euch an, eure Zeugnisse in Händen und ein Lächeln auf den Lippen – und das nach einer Zeit, in der alles auf den Kopf gestellt wurde." Georg teilte den Stolz über die bewältigten Herausforderungen mit allen Anwesenden, die Höhen und Tiefen, Erfahrungen und Hindernisse geteilt hätten.
"Der Weg zum Ziel beginnt an dem Tag, an dem du die hundertprozentige Verantwortung für dein Tun übernimmst." Mit diesem Zitat von Dante Alighieri stieg Schulleiter Christian Bolduan in das Schlüsselthema seiner Abschiedsworte ein: Die Schülerinnen und Schüler hätten sich vor Jahren auf den Weg gemacht, Verantwortung für ihr Lernen zu übernehmen, gemeinsam mit ihren Familien und den Lehrkräften. "Wofür lohnt es sich Verantwortung zu übernehmen?", fragte er die Abiturientinnen und Abiturienten, die sicher schon ihre Erfahrungen mit zu viel oder zu wenig davon gemacht hätten – nicht zuletzt im Elternhaus oder in der Schule. Man müsse sich, um mit Molière zu sprechen, auch für das verantworten, was man nicht tue, so der Schulleiter an den Jahrgang, der ihn sehr überrascht habe. "Ihr habt die Herausforderungen angenommen und mit der Aktion ‚Saturdays for the Forest‘ auch Weitblick und Engagement gezeigt." Mehr als tausend Bäume hinterließen die Schülerinnen und Schüler nach fünf Aktionen der Region; mit ihrem Abi-Wald könnten sie eine kleine Tradition begründet haben, über die sie sich vielleicht in vielen Jahren alle noch gemeinsam freuen könnten. Häufig könne man erst im Nachhinein erkennen, ob Entscheidungen gut waren, dennoch müsse man sie treffen. "Setzt dabei euren Kopf und euer Herz ein, denkt nach, denkt quer", so Bolduans Appell.
Schulpfarrerin Katja Dörge hatte für die jungen Erwachsenen eine Überraschung vorbereitet: Unter jedem Stuhl klebte ein Umschlag mit einem roten Faden, genau hundert Zentimeter lang. "Das ist euer Lebensfaden – macht einen Knoten bei etwa zwanzig Zentimetern, denn da steht ihr jetzt." Im Anschluss hatten die Schülerinnen und Schüler drei Minuten Zeit, um prägende Erinnerungen per Knoten zu markieren. Sie stellten fest, dass, obwohl sie noch jung sind, auch ein gutes Stück des Fadens schon erlebt war. Gerade bei der Erinnerung an traurige Einschnitte können man sich fragen, wie man sie bewältigt habe, schlug Dörge vor. Was von den drei großen Themen Glaube-Liebe-Hoffnung habe einem geholfen? Die Pfarrerin wünschte den Abiturientinnen und Abiturienten, dass sie Vertrauen in die Liebe finden mögen, die das Rot des Fadens symbolisiere und die auch als die Liebe Gottes gesehen werden könne. Den roten Faden konnten die jungen Leute mitnehmen. Vielleicht nimmt der eine oder die andere ihn im Lauf des Lebens ja immer mal wieder zur Hand.
Martin Wilhelm, Leiter des mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereichs der Schule, überreichte sodann die Auszeichnungen der verschiedenen Verbände: Den DMV-Abiturpreis für Mathematik, den die Deutsche Mathematiker-Vereinigung in Zusammenarbeit mit dem Springer-Verlag Heidelberg für exzellente Leistungen im Abiturfach Mathematik vergibt, ging an Kim Leon Oeppert. Er erhielt ein Buch und eine einjährige kostenlose Mitgliedschaft.
Den GDCh-Abiturientenpreis Chemie, den die Gesellschaft Deutscher Chemiker für die jahrgangsbesten Abiturienten im Fach Chemie auslobt, erhielten Lars Michaelis und Constantin Kuttler. Der Preis beinhaltet eine aktuelle Buchveröffentlichung, eine Urkunde und eine kostenlose Mitgliedschaft in der GDCh für ein Jahr. Beide Absolventen erhielten auch den Buchpreis und eine Mitgliedschaft in der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Diese verleiht die Anerkennung für sehr gute Leistungen im Prüfungsfach Physik.
Mit dem Karl-von-Frisch-Preis, einer Auszeichnung des Verbandes Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin für herausragende Leistungen im Fach Biologie wurde Theresa Herrmann ausgezeichnet. Im Anschluss an diese Runde konnten Christian Bolduan und Doris Roth die Jahrgangsbesten ehren. Mit einer Durchschnittsnote besser als 1,5, sind dies: Sonja Karl, Lena Jung, Theresa Herrmann, Sophie Frank, Gina-Marie Schmidt, Maria Zinn, Johannes Kuttler, Marcel Loeser, Kim-Leon Oeppert, Helene Benz, Leana Hett, Johanna Merle und Marie Schott. Mit dem Musikpreis der Schule zeichnete schließlich Martin Wilhelm Sonja Karl und Ina Kneußel aus.
Mit einer launigen Rede, gespickt mit Schnapszahlen zum 111. Abitur an der ASS im Jahr 2020, blickten die Jahrgangsbesten Sonja Karl und Lena Jung auf ihre Schulzeit und die besondere Abiturphase zurück – und auf ein fast schon prophetisches Motto: "Abicalypse – Der Weltuntergang wäre einfacher gewesen!" Die beiden warfen einen Blick in den Abiraum und ließen Kursfahrten Revue passieren. Sie dankten den Tutorinnen und Tutoren sowie den andren Lehrkräften für deren Wirken: "Sie sind uns doch sehr ans Herz gewachsen." Ihr Dank galt auch ihren Familien und der Schulleitung, die in diesen unübersichtlichen Zeiten die Abiturprüfungen sehr gut organisiert habe. Alle gemeinsam hätten sie eine beispiellose Aufgabe bewältigt. "Lasst uns jetzt etwas anfangen damit", riefen sie ihren Mitschülerinnen und Mitschülern zu.