"Pillenkick-Recherche"

Arne Steinberg über Schmerzmittel-Missbrauch im Fußball

Was für Arne Steinberg und das Team von Correctiv mit einer Recherche über Doping im Fußball begann, endete in einer bundesweiten Debatte um den Gebrauch von Schmerzmitteln.
Fotos: Ivo Mayr/CORRECTIV

14.06.2020 / FULDA - Was mit einer Recherche über Doping im Profi-Fußball begann, endete in einer bundesweiten Debatte über die Verwendung von Schmerzmittel in Fußball-Deutschland. Arne Steinberg und das Team von Correctiv recherchierten ein Jahr lang über Schmerzmittel-Missbrauch und brachten die Dokumentation #pillenkick heraus. Dabei hat jedoch nicht die Verwendung, sondern viel eher der Grund für die Einnahme von Schmerzmitteln überrascht.



"Wir haben ganz klassisch angefangen und haben mit vielen Profis über ihre Karrieren und Verletzungen gesprochen. Dabei haben wir gemerkt, dass wir um Schmerzmittel nicht herumkommen", berichtet Arne Steinberg im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS über die Anfänge der Recherche. So legte das Recherche-Team von Correctiv im Oktober 2019 fest, dass der Fokus auf dem Thema Schmerzmittel liegen wird. 

Dabei wollte sich das Recherchezentrum nicht auf den Profi-Fußball beschränken, sondern auch den Amateurfußball ins Auge fassen. "Wir waren überrascht, dass die Gründe nicht darin liegen, die Schmerzen zu lindern. Die größte Erkenntnis war es, dass Schmerzmittel in größerem Maße vorbeugend eingenommen werden", sagt Steinberg, dem aus seiner eigenen aktiven Zeit als Spieler von Niederaula, Bad Hersfeld und der SG Barockstadt bekannt ist, dass Schmerzmittel im Amateursport ein Thema sind.

"Schmerzmittel im Profi-Sport ein "unkritisches Thema"

Worüber das Team um Steinberg dagegen im Profi-Bereich überrascht war, dass der Gebrauch von Schmerzmitteln unkritisch angesehen wird, der Beutel im Mannschaftsbus quasi nur aufgehalten wird und die Spieler sich frei bedienen können. Offen sprechen möchte darüber jedoch kaum einer: "Wir haben allen Bundesligisten Fragen geschickt, aber kein Verein ist darauf eingegangen", berichtet Steinberg, der aus Niederjossa (Niederaula, Landkreis Hersfeld-Rotenburg) stammt.

An die Mannschaftsärzte wie Thomas Frölich von der TSG Hoffenheim kam Correctiv über andere Wege, die Spieler vor der Kamera haben bis auf eine Ausnahme, Neven Subotic, ihre Laufbahn bereits beendet. "Die reden da anders darüber, das ist ja auch logisch. Aktive Spieler würden sich selber schaden, wenn sie so offen darüber reden", rechnete Steinberg schon damit, dass man keine aktuellen Profis vor die Kamera bekommen würde. Auskünfte bekamen sie von diesen trotzdem.

Intensive Resonanz auf die Dokumentation

Mit der 44-minütigen Dokumentation #pillenkick, die am Dienstagabend in der ARD ausgestrahlt wurde, hat Correctiv eine bundesweite Debatte ausgelöst: "Wir haben über Ecken mitbekommen, dass das Thema beim DFB diskutiert wird und positiv aufgefasst wurde. Jenseits der Bundesliga war die Resonanz sehr intensiv, wir haben viele Mails, Nachrichten und Zuschriften bekommen. Viele weisen darauf hin, dass es in anderen Sportarten ähnlich aussieht", so Steinberg.

Womit Correctiv schon die nächste Recherche vor Augen hat. "Die Frage ist, wie sich das umsetzen lässt. Es ist jedenfalls genauso relevant", sagt Steinberg. Er und sein Team hoffen, dass die nun losgetretene Debatte auch eine Wirkung erzielt: "Wir hoffen, dass der DFB es schafft, seiner Ankündigung Folge zu leisten. Es ist wichtig, dass von oben vorgegeben wird, wie unten damit umgegangen wird."

Wer sich über Correctiv, die Recherchen und die aktuelle Dokumentation #pillenkick informieren möchte, kann das unter https://correctiv.org/ tun. (Tino Weingarten) +++

Arne Steinberg: \"Wir hoffen, dass der DFB es schafft, seiner Ankündigung Folge zu leisten.\"

Arne Steinberg war in Osthessen unter anderem für die SG Niederaula/Hattenbach am Ball.
Foto: O|N-Archiv

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