Zweiter Warnstreik bei der Firma Wirthwein

"Wir hätten nie gedacht, dass wir einmal so behandelt werden"

Robert Weißenbrunner von der IG Metall macht den Mitarbeitern Hoffnung.
Fotos: Martin Engel und Michelle Kedmenec

11.06.2020 / EICHENZELL - Am Mittwochnachmittag trafen sich die Mitarbeiter der Firma Wirthwein zu einer großen Protestaktion am Standort in Eichenzell. Die Mitarbeiter wurden Anfang Mai über ihre Kündigungen zum 31. Dezember informiert. Der Automobilzulieferer schließt den Standort in der Bürgermeister-Ebert-Straße vollständig. Aktuell laufen Tarifverhandlungen zwischen IG Metall und Wirthwein. Ziel ist es, eine anständige Behandlung der Arbeitnehmer im Rahmen der Schließung des Standorts zu garantieren.



Auf eine Verhandlungsaufforderung hatte Wirthwein bis zum ersten Warnstreik am 29.05. nicht reagiert. Aus Sicht der IG Metall sei es ein erster Erfolg der gewerkschaftlichen Aktivitäten, dass sich der Arbeitgeber im Anschluss an den ersten Warnstreik zu Tarifverhandlungen bereit erklärt hat. "Die erste Verhandlungsrunde verlief aber enttäuschend. Entgegen unserer Erwartung hat uns der Arbeitgeber kein Angebot zu unseren berechtigten Forderungen vorgelegt. Das hat mit Wertschätzung und Respekt für langjährige Beschäftigte nichts zu tun", so Uwe Zabel, Verhandlungsführer der IG Metall-Bezirksleitung Mitte. Ein erneuter Verhandlungstermin wurde für den 16.06.2020 angesetzt. "Wir hoffen, an diesem Termin auf ein verhandlungsfähiges Angebot des Arbeitgebers", so Zabel.

Als Reaktion auf den Warnstreik der Mitarbeiter beorderte die Firma Wirthwein Fachkräfte von den Standorten Creglingen und Crimmitschau nach Eichenzell. Diese sollten als Streikbrecher für den Betrieb an den hiesigen Maschinen angelernt werden. Darauf zogen die Eichenzeller Angestellten kurzfristig Konsequenzen und legten die Arbeit vollständig nieder. Der Warnstreik dauerte bis zur Vereinbarung des neuen Verhandlungstermins an. Inzwischen handelten die Firma Wirthwein und die IG Metall aus, dass zu diesem Termin keine Streikbrecher mehr in der Produktion eingesetzt werden.

Trotz dieser Einigung stößt man bei der IG Metall nicht auf Zufriedenheit. "Dieses fragwürdige Vorgehen entspricht nicht den Ankündigungen und Wünschen der Arbeitgeberseite, für eine friedliche Lösung des Konflikts zu sorgen. Wir erwarten, dass der Arbeitgeber dieses Vorgehen auch zukünftig unterlässt und mit der IG Metall eine sozialverträgliche Lösung im Sinne der Beschäftigten vereinbart", so Robert Weißenbrunner, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Hanau-Fulda.

Am Mittwochnachmittag wurde ein weiterer Warnstreik ausgerufen, verbunden mit einer gewerkschaftlichen Aktion, die die Aufmerksamkeit auf die unerträgliche Situation der Mitarbeiter des Standorts Eichenzell lenken soll. Gemeinsam mit ihren Familien, Anwohnern, Vertretern der Politik und Gemeinde sowie vielen weiteren Unterstützern bildeten die Beschäftigten auf dem Firmengelände eine große Menschenkette rund um das Firmengelände.

"Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Arbeit klaut", tönt es vor dem Gebäude der Firma Wirthwein. Rund 100 Menschen haben sich zur Protestaktion versammelt. Nach einem kurzen Grußwort von Robert Weißenbrunner kommen mehrere Redner zu Wort. Eichenzells Bürgermeister Johannes Rothmund (CDU) machte den Anfang, ihm folgten Sabine Waschke (SPD), Hermann Schaus (Linke), Sabine Leibig (Linke), Frank Häberle (Betriebsratsvorsitzender Förstina) und Florian Kaufmann vom DGB Süd-Osthessen. In einem sind sich alle Redner einig. Der Umgang der Firma Wirthwein mit den eigenen Mitarbeitern ist nicht fair. Sie alle stehen hinter den Streikenden.

Mitarbeiterin Viktoria Ginter: "Wir sind froh, Unterstützung aus der Politik zu erhalten. Das bestärkt uns. Viele meiner Kollegen sind mehr als 30 Jahre im Unternehmen tätig und jetzt werden wir einfach mit Füßen getreten. Wir haben immer alles für die Firma Wirthwein gegeben - unsere Gesundheit und unsere Zeit. Das haben wir nicht verdient. Wir wünschen uns doch nur einen respektvollen Umgang. Wir hätten nie gedacht, dass wir einmal so behandelt werden".

Die Streikenden setzen alle Hoffnungen in den Verhandlungstermin kommende Woche. "Wir hören erst auf, wenn es eine vernünftige Lösung für die Mitarbeiter der Firma Wirthwein gibt", so Robert Weißenbrunner. Bei der Protestaktion wurde trotz Menschenkette darauf geachtet, alle Hygiene- und Abstandsregeln einzuhalten (mi/pm) +++

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