Hollywood im Wald

Sicherer Filmspaß im Auto: Corona bringt erweitertes Kulturangebot

Anke und Guido Hartung im Autokino
Fotos: Marius Auth

30.05.2020 / FULDA - Seit dem 20. Mai kommen mitten im Michelsrombacher Wald Filmfreunde auf ihre Kosten: Action, Romantik und Comedy flimmern von drei großen Leinwänden, davor bis zu 60 Autos, deren Insassen coronakonformes Kino erleben. Dass ausgerechnet eine Pandemie das Kulturangebot um Fuldas erstes Autokino bereichert, scheint makaber - bei gleichbleibendem Erfolg soll das Waldkino sogar erhalten bleiben.



Am Donnerstag läuft der Reisefilm "Besser Welt als nie" über den 24-jährigen Dennis Kailing aus Gelnhausen, der mit dem Fahrrad um die Welt gefahren ist und dabei seine Eindrücke festgehalten hat. Die letzten Autos werden eingewiesen, wer zuerst kommt, steht ganz vorne. Die insgesamt drei Leinwände sind jeweils 30 Quadratmeter groß, trotz Bilderrausch bleibt es still im Wald: Ein eigener UKW-Sender strahlt auf der Frequenz 96,1 den Stereoton im Radius von 250 Metern aus. "Wir haben den Film schon vor einer Woche gezeigt, auch da war er ausverkauft - wie fast alle unsere Vorstellungen. Wir hatten zwar Hoffnung, aber nicht gedacht, dass es so gut laufen wird", erklärt Jochen Hohmann, dem sowohl Gelände als auch Wirtshaus im Wald gehören. Bis Ende Juni sollen die Vorführungen weiterlaufen, bei gleichbleibender Resonanz auch darüber hinaus.

Kinofan Hohmann hatte sich schon länger mit der Idee eines Autokinos getragen, durch die Corona-Beschränkungen schien der Traum dann in greifbare Nähe gerückt: "Sonst gab es überall Kinos, da hätte ein weiteres keinen Sinn gemacht, auch wenn es ein Autokino ist. Momentan gibt es wenige Kulturangebote, durch die Knappheit steigt die Wertschätzung für so eine Veranstaltung, die ja eigentlich Nostalgie pur ist. Wir sind hier mitten im Wald, das gibt der Sache eine besondere Atmosphäre. Viele Pärchen kommen alleine schon, weil es so romantisch ist."

Bei den Besuchern, die sich mit Getränken und Popcorn versorgen, kommen Erinnerungen hoch: "Ich bin ursprünglich aus Frankfurt und kenne Autokinos noch aus meiner Jugend. Jetzt wohne ich in Oberkalbach und habe gelesen, dass hier ein Autokino aufmacht. Ich habe schon das Buch 'Besser Welt als nie' gelesen, hier im Wald ist die Stimmung für so einen Reisefilm perfekt, da hat man gleich die richtige Umgebung", erklärt Monika Heil-Kreis. Anke und Guido Hartung aus Fulda sind mit dem Käfer-Cabrio gekommen und genießen das Open Air-Feeling: "Eine Kollegin von mir hatte davon erzählt und wir wollten den Film noch schauen. Kino geht ja nicht, aber bei schönem Wetter ist Autokino mal was anderes."

Bis die Hollywoodfilme im Wald laufen konnten, vergingen einige Monate, neben dem technischen Gerät mussten die rechtlichen Voraussetzungen stimmen: "Wer Rundfunkfrequenzen nutzen will, auch nur auf kleinstem Raum, braucht über die Bundesnetzagentur eine Genehmigung. Vom Regierungspräsidium wird dafür eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt. Fulda ist anscheinend eine dicht besiedelte Frequenzregion, ich habe meine Zuteilung erst drei Tage vor der ersten Vorstellung bekommen", erklärt Betriebsleiter Alexander Ochs, der die Autofahrer einweist und die Tickets überprüft. 9,90 Euro kostet der Film für Erwachsene, pro Fahrzeug sind zwei Personen das Minimum. Das Programm stellt das Team um Ochs selbst zusammen, neben Hollywood-Blockbustern bringen Komödien das beste Feedback: "Der Oscargewinner 'Parasite' hat uns aber nur rund 10 Prozent mehr gekostet als der Reisefilm, der heute Abend läuft. Die Kriterien sind da anscheinend etwas anders. Um überhaupt Filme zeigen zu dürfen, mussten wir beim Verband der Filmverleiher einen Antrag stellen, für Open Air-Veranstaltungen. Von der Filmförderung gibt es dann eine Leinwandnummer, über die auch die Abgaben abgeführt werden. Dann mussten wir eins von fünf lizensierten Kassensystemen nutzen, damit für die Verleiher und Studios die Abrechnung sichergestellt ist."

Statt sich aus einem Film-Portfolio bedienen zu können, musste Ochs Beziehungen zu den einzelnen Studios aufbauen: "Man hat dann seine Ansprechpartner, bei Paramount Pictures, bei Warner Brothers - oder bei 24 Bilder, einer deutschen Agentur, die sehr aktiv ist. Wir schauen, dass wir ein ausgewogenes Programm haben, das die ganze Familie anspricht und auch zum Autokino-Flair passt. Um die Buchung im Internet nicht selber abwickeln zu müssen, haben wir Kinoheld als Partner, die mit cinetixx zusammenarbeiten. Kinoheld stellt Filminfos und Trailer, cinetixx das Kassensystem. Das macht es für alle sehr komfortabel, allerdings sind die Vorgaben streng." Das merkt auch ein Pärchen aus Dietershan, das spontan vorbeigefahren kommt: "Tickets gibt es nur im Vorverkauf, wir dürfen vor Ort keine Karten verkaufen. Die Studios und Verleiher wollen einen genauen Überblick, alles muss schon im Vorfeld verbucht sein." Die Filmfans zieht es trotzdem ins Alternativkino: Nach dem Waldkino bietet nun auch das "Burgenkino" in Schlitz sicheren Filmspaß im Auto. (mau) +++

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