Von Christina Lander

Nachgedacht im Mai: ... und täglich grüßt

Christina Lander ist Autorin bei OSTHESSEN|NEWS für die Serie NACHGEDACHT.
Foto: Hendrik Urbin

03.05.2020 / REGION - Nun leben wir schon eine ganze Zeit in einer Art Zwischenwelt - vieles ist nicht mehr so, wie es einmal war, anderes existiert gar nicht mehr, manches ist geblieben und gewohnt. Und im Laufe der Zeit macht sich eine Art Müdigkeit breit, sie schleicht sich auf unser Gemüt und flüstert uns leise ins Ohr: „Ich mag nicht mehr. Ich mag nicht mehr nur zuhause sein, ich mag nicht mehr auf Abstand gehen, ich mag nicht mehr unfrei sein. Ganz einfach weil ich es vermisse. Alles, was da vorher war.“

Nur das ist jetzt erst einmal fatal. Wiegen wir uns nicht in einer Sicherheit, die fragil und fragwürdig ist? Wahrscheinlich ja, denn das Virus ist ja gleichermaßen gefährlich wie noch am Anfang der Epidemie, aber wir sind nun - so nennen es Experten - katastrophenmüde. Das ist schon eine heftige Zuschreibung und sie bedeutet, dass wir es nicht mehr ernst nehmen und uns die Energie ausgeht, mit einer solchen Situation fertig zu werden.

Doch da muss ich einfach sagen: Können wir Menschen im 21. Jahrhundert denn gar nichts mehr ertragen? Waren die Menschen früher stärker? So kommt es mir gerade vor. Es ist mir schleierhaft, wie man so sehr verdrängen kann, dass wir bisher einfach verdammt viel Glück hatten, bzw. bei uns einfach viel richtig gemacht wurde. In einem unserer Lieblingsländer ist die Hölle über die Menschen hereingebrochen.

Unseren Erfolg jetzt riskieren, wäre nicht Müdigkeit, sondern Dummheit. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich bin auch für Lockerungen, aber ich möchte keine Freiheit, die wieder unfrei macht. Ich bin definitiv für wirtschaftliche Hilfen, denn sonst geht alles baden und das ist wirklich eine Katastrophe. Unbedingt sollten für alle Maßnahmen und Regeln gefunden werden, die durch die wirtschaftlichen Folgen in eine existenzielle Katastrophe rutschen, unbedingt sollten Menschen gerettet werden, die zuhause nicht sicher aufgehoben sind und an der Isolation zugrunde gehen.

Aber es wird noch eine Weile so sein, dass wir uns gedulden müssen. Deswegen brauchen wir besonders wieder dort neue Regeln, wo Menschen Kraft tanken können. Wir sollten aber jetzt nicht müde werden und die Katastrophe mit fragwürdiger Freiheit verdrängen. Wir sollten katastrophenstark sein. Wir sollten wissen, dass wir etwas schaffen können. Denn wir sind an unseren Herausforderungen in ungeheurem Maße gewachsen. (Christina Lander) +++



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