Lullusstadt startet verhalten

Shopping in Zeiten des Social Distancing schwierig für Einzelhandel und Kunden

Im Bad Hersfelder Traditionsgeschäft "Uhren Gerlach" wird auf Sicherheit für Kunden und Personal geachtet. Margot Schneider (rechts) und Liane Zaba beraten auch mit Mundschutz.
Fotos: Gudrun Schmidl

21.04.2020 / BAD HERSFELD - Es herrscht Morgendämmerung am zuletzt düsteren Firmament des stark gebeutelten Einzelhandels: Die Bummelmeilen dürfen heute zu Teilen aus ihrem gesetzlich verordneten Quarantäneschlaf erwachen und sich zunächst einmal kurz strecken. Gesellschaftliches Flanieren durch kleine bis große Gassen der Innenstädte wird nunmehr bundesweit mit unterschiedlichster Auslegung toleriert. Atmosphäre durch geöffnete Cafés, Eisdielen, Restaurants, die zum Verweilen einladen, oder gar Kleinkünstler und Kulturangebote zur Inspiration: Fehlanzeige. Von Normalität ist auch die Lullusstadt weit entfernt. Die Öffnung kleinerer Geschäfte und Betriebe kann den Pandemie-Beschlüssen entsprechend zunächst nur teilweise und unter erschwerten Bedingungen erfolgen. Die Freude darüber ist natürlich auch in Bad Hersfeld nicht ungetrübt.



Einlasskontrollen an den Türen der Geschäfte gibt es hier nicht, aber allerorten schriftliche Hinweise, wie die Kunden sich verhalten müssen. Über den Passanten schwebt eine kleine Wolke von Hoffnung und gleichzeitig Verunsicherung. Was wie ein schauriger Erlebnisbericht aus Zeiten hinter dem Eisernen Vorhang klingt, darf ab sofort als „Lockerung“ verstanden werden. Eine inzwischen fast anstrengend langweilig gewordene Online-Shopping Welt wird im Real-Life neu erprobt.

Shopping in Zeiten des Social Distancing: Geneigte Kunden werden mit Markierungen auf dem Boden auf den Mindestabstand von 1,50 Metern aufmerksam gemacht. Die erleichterten Ladenbesitzer und ihre tapferen Mitarbeiter schützen sich, wie viele Kunden auch, mit Gesichtsmasken und im Kassenbereich mit Plexiglasscheiben. Vielfach stehen Desinfektionsmittel im Eingangsbereich zur Verfügung oder es wurden Wartezonen eingerichtet. So oder ähnlich werden die Kunden die Wiedereröffnung des Einzelhandels in Deutschland erleben.

Die Bad Hersfelder Innenstadt wurde heute alles andere als überrannt. Viele Menschen bleiben trotz wochenlanger Shoppingflaute aus Angst vor der Ansteckung zu Hause oder sie verlassen nur das Haus, um das Lebensnotwendige einzukaufen. Offensichtlich hat der Handel auch gar nicht mit viel Kundschaft gerechnet, denn im Parkhaus der City-Galerie war die Auffahrt zum zweiten und dritten Parkdeck aus diesem oder auch anderen nicht bekannten Gründen abgesperrt. Mehr Läden als gedacht haben zumindest ab heute nicht geöffnet, kündigen aber die Öffnung an. Andere Ladenbesitzer sind damit beschäftigt, die österliche Ware abzuräumen, um Platz für Neues zu schaffen. Einheitliche Öffnungszeiten sind nicht abgesprochen, hier plant jeder Einzelhändler offenbar nach seinem Ermessen. Einzelne Geschäftsleute scheinen noch sehr mit sich selbst und der Situation beschäftigt zu sein.  

Aber der Kunde kann sich auch willkommen fühlen. Zum Beispiel im Modegeschäft „liberty“ in der Klausstraße wurde gut sichtbar „Wir freuen uns auf Euch“ auf die Schaufensterscheiben geschrieben. Nicht nur da. Diese schöne Idee wurde mehrfach umgesetzt, auch von Andrea Müller, die ihr kleines, aber bestens sortiertes Handarbeitsgeschäft in der Fußgängerzone betreibt. Sie punktet außerdem mit einer großartigen Geste: gegen eine Spende verteilt sie eigens von ihr genähte Gesichtsmasken. 

Die Corona-Krise verlangt dem schon lange durch Online-Handel, Digitalisierung und Konsumverzicht gebeutelten Einzelhandel alles ab. Die Inhaber sind auf tägliche Umsätze angewiesen. Viele Einzelhändler und Dienstleister bangen um ihre Existenz. In Bad Hersfeld ist die ins Leben gerufene Kampagne „Mein Herz schlägt HEF“ ein wichtiges Instrument der Solidarität, mit dem die Kundschaft ihre Verbundenheit durch Gutscheinkauf praktisch und hilfreich zum Ausdruck bringen kann. Bad Hersfeld hat dieses Gutschein-System entwickelt, das nachhaltig wirken soll. Es ist ein guter Ansatz, um weiteren Leerständen innerhalb der Innenstadt entgegenzuwirken. 

Der Einzelhandel hat während der Schließung ihrer Läden versucht, mit verschiedenen Möglichkeiten wie Online-Bestellungen und Lieferdiensten das Beste aus der Krise zu machen. Zahlreiche Kundinnen und Kunden folgen garantiert ihrem Gewissen und besuchen ab sofort wieder die lokalen Geschäfte, um diese zu unterstützen. Händler müssen nun selbst neue Ideen entwickeln und die Stärke des Einzelhandels betonen, um diese Kunden wertschätzend zu binden und neue zu gewinnen. Nur so können weiterhin Einnahmen generiert und ihre Geschäfte durch diese Krise und darüber hinaus geführt werden.(Gudrun Schmidl) +++

X