Hilferuf, Frust und Unsicherheit!

Enorme Lieferengpässe in Apotheken: "Immer auf der Jagd nach Medikamenten"

Lieferengpässe machen sich auch in Fulda bemerkbar. Der Inhaber der Altstadt-Apotheke Justus Schollmeier und Mitarbeiterin Janina Wunderlich.
Fotos: Jonas Wenzel (Yowe)

22.01.2020 / FULDA - Wenn es in der Apotheke wie an der Börse zugeht, läuft garantiert etwas schief. Medikamente sind für viele Menschen lebensnotwendig. Fehlen diese plötzlich in den Ausgabestellen, stehen Kunden vor einem schwerwiegenden Problem. Auch die Fuldaer Apotheken sind in Bezug auf das sensible Thema mittlerweile in Alarmbereitschaft. Angesichts fehlender Lösungen macht sich Frust bei den Pharmazeuten breit. OSTHESSEN|NEWS hat sich im Fulda umgehört.

Erste Station: Die Bären-Apotheke im Ärztehaus "Altstadt-Carree"


Der Filialleiter der Bären-Apotheke, Apotheker Markus Helm, spürt die Auswirkungen der Lieferengpässe enorm. Zehn bis 15 Mal am Tag muss er sagen: "Tut mir Leid, das Medikament habe ich nicht". Dabei wolle er stets sein Bestes geben, kann aber keine zufriedenstellende Leistung erbringen. Die Folge: Der Kunde muss vertröstet werden.

Die Liste der Lieferengpässe ist lang. "Vor circa eineinhalb Jahren fing die Diskussion an", so der Apotheker. Am meisten fehlt es an Blutdruckmitteln (Candesartan), Psychopharmaka (Venlafaxin) oder an Impfstoffen wie beispielsweise den gegen Gürtelrose (Shingrix). Letzteres ist seit einem halben Jahr nicht lieferbar. Lange Wartelisten sind die Folge. Die Schuld liege auch nicht bei den Ärzten, wie Helm klarstellt, die hätten keine Chance, sich aktuell zu informieren, was überhaupt vorrätig ist. "Das ist ja auch eigentlich nicht ihre Aufgabe." Trotzdem kooperieren Ärzte und Apotheker, stehen in engem Kontakt und suchen gemeinsam nach Lösungen. Die Alternative, die den Patienten angeboten wird, ist erneut den Arzt aufzusuchen und eine Medikamentenumstellung vorzunehmen. "Das bringt aber alles durcheinander und führt zu Komplikationen."

Vor Ort demonstriert der Apotheker unserem O|N-Team, wie groß der Mangel derzeit ist: An seinem Monitor wird digital aufgelistet, was lieferbar ist und was nicht. Von 222 fehlenden Medikamenten ergibt seine Suche gerade mal zwei "Glückstreffer". Schnelligkeit ist jetzt gefragt, ansonsten ergreift ein anderer Apotheker die Gelegenheit. Man sei demnach "immer auf der Jagd". Die Liste wird ständig aktualisiert: "Es ist ein zusätzlicher Stressfaktor."

Die Altstadt-Apotheke in der Fuldaer Innenstadt 

Auch der Inhaber der Altstadt-Apotheke, Justus Schollmeier, empfindet die Lieferschwierigkeiten als ein schwerwiegendes Problem, das von vielen Faktoren beeinflusst werde. Für die Apotheken bedeute es vor allem einen riesigen Mehraufwand.

Er sieht die Schuld bei den Krankenkassen: Über Jahre hinweg sei Preisdumping betrieben worden, inzwischen würden Medikamente überall im Ausland, insbesondere im asiatischen Raum, produziert. Zudem sei die Monopolisierung der Herstellung ursächlich. Dies werde am Beispiel des Arzneistoffes Ibuprofen sichtbar: "Weltweit existieren nur sechs Hersteller, wenn da einer wegfällt, entsteht eine enorme Lücke." Auch in der Logistik gebe es Schwierigkeiten. Re-Importe seien dabei das größte Dilemma. Die Apotheken müssten eine bestimmte Quote einhalten, wird diese nicht erfüllt, drohen Strafzahlungen. "Das System ist fehlerhaft und wir sind die Marionetten."

Jedes Jahr stünden die Apotheken vor neuen Problemen. Die Bürokratie und weitere Lasten erschweren zunehmend den Arbeitsalltag. "Es ist ein Armutszeugnis unserer Gesundheitspolitik. Und schließlich sind die kranken Menschen die Leidtragenden." (Maria Franco) +++

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