Vorstand Dr. Thomas Menzel im Gespräch

Wirtschaftlicher Druck lastet auf Klinikum - INO-Zentrum Höhepunkt in 2019

Das Klinikum Fulda - der Maximalversorger in der Region Osthessen.
Archivfotos: Hendrik Urbin

12.01.2020 / FULDA - Der Rückblick von Privatdozent Dr. med. Thomas Menzel auf das Jahr 2019 ist gespalten. Auf der einen Seite freut sich der Vorstandschef des Klinikums Fulda über ein erfolgreiches Jahr, dessen Höhepunkt die gelungene Eröffnung des neuen Intensiv-, Notfall- und OP-Zentrums (INO-Zentrum) war.

Auf der anderen Seite war das Jahr geprägt durch den außerordentlichen wirtschaftlichen Druck von Seiten der Krankenkassen und der Gesundheitspolitik, der auch das größte Krankenhaus in Osthessen vor erhebliche Herausforderungen stellte. Menzel geht davon aus, dass sich diese schwierige Entwicklung auch im Jahr 2020 fortsetzen werde. "Die Krankenkassen prüfen mittlerweile jede 3. Rechnung intensiv und zahlen mit erheblicher Verzögerung. Dadurch werden uns mehr als 20 Millionen Euro vorenthalten. Das belastet unsere Liquidität erheblich."

Beim weit überwiegenden Teil der Prüfungen geht es um die Frage, ob ein Patient, der stationär im Klinikum war, nicht auch ohne einen Krankenhausaufenthalt hätte behandelt werden können. Oder auch darum, ob ein Patient eventuell auch früher nach Hause hätte entlassen werden können. „Bei diesen Prüfungen werden dann die von uns erbrachten Leistungen bestritten - und zwar rückblickend. Das ist nicht in Ordnung, denn hinterher ist man bekanntlich immer schlauer“, sagt Menzel im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS.

Jeder Tag im Klinikum kostet Geld. „Der Druck ist gewachsen“, sagt Menzel. „Die Patienten bleiben so lange stationär, wie es medizinisch notwendig ist, nicht kürzer und nicht länger.“ Das 1.000 Betten-Klinikum sieht sich allerdings auch in einer sozialen Verantwortung. Können Patienten im Anschluss an die Behandlung im Klinikum zu Hause gut versorgt werden? Gibt es nahtlos einen Platz in der Reha oder in der Kurzzeitpflege?

Auch darum kümmern sich die Mitarbeiter des Klinikums - zusammen mit den Angehörigen. Künftig spüren die medizinischen Entscheider allerdings den Druck der Krankenkassen noch stärker. So sind sogar Geld-Strafen vorgesehen, wenn ein Patient länger als vermeintlich notwendig im Krankenhaus war. „Das ist schon sehr befremdlich“, sagt Menzel. „Kann der Arzt überhaupt noch medizinisch handeln oder sind die Vorgaben der Krankenkassen dem Wohle des Patienten künftig überzuordnen?“

Das Klinikum Fulda wird für das Jahr 2019 voraussichtlich einen Umsatz von rund 254 Millionen Euro ausweisen. Schwarze Zahlen erwartet Menzel für 2019 nicht.

Und auch die Perspektive für 2020 ist nicht rosig. Der Fachkräftemangel ist auch am Klinikum angekommen. Die neuen so genannten „Pflegepersonaluntergrenzen“ fordern den Einsatz von examiniertem Personal - auch für die einfacheren Aufgaben auf den Stationen. Zwar soll jede Pflege-Stelle refinanziert werden, aber es gibt die benötigten Pflegekräfte auf dem Arbeitsmarkt gar nicht. Bis zu 200.000 Pflegekräfte – so die Schätzungen – fehlen in Deutschland, davon fast 20.000 in den Krankenhäusern. „Wir haben bisher versucht, den Mangel durch einen qualifikationsgerechten Personaleinsatz zu kompensieren. Nicht-examiniertes Personal erbringt Serviceleistungen, wie die Essenausgabe, den Transportdienst oder entlastet die Pflege als Stationsassistenz. Das wird jetzt so nicht mehr möglich sein“, so Menzel weiter.

Die neuen gesetzlichen Vorgaben sind der Grund dafür, dass das Klinikum Fulda derzeit rund 100 Betten nicht belegen kann. „Die Landwirte fahren mit ihren Schleppern nach Berlin, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Wir sollten unsere leeren Betten vielleicht mal auf die Pacelliallee stellen“, sagt Menzel mit einem Augenzwinkern.

Strukturanpassung über wirtschaftlichen Druck


Dass eine Strukturbereinigung des stationären Sektors im Sinne einer qualitativ hochwertigen Patientenversorgung mit weniger Krankenhäusern durchaus sinnvoll und auch notwendig sei, bestreitet Menzel nicht. Doch derzeit scheint die Bundesregierung die Anpassung der Strukturen über wirtschaftlichen Druck erreichen zu wollen, eine vernünftige Planung sei nicht erkennbar. Dabei werde wohl bewusst in Kauf genommen, dass auch die großen kommunalen Krankenhäuser erheblich beschädigt werden. „Die sind in vielen Regionen - auch in Osthessen - das Rückgrat der Gesundheitsversorgung und damit ein unersetzlicher Bestandteil der Daseinsvorsorge!“

Das könnte dramatische Konsequenzen haben: „Die Grippewelle vor zwei Jahren hat gezeigt, dass die Kapazitätsgrenzen überraschend schnell erreicht werden. Damals haben wir Patienten aus dem Rhein-Main-Gebiet übernommen, die dort nicht mehr versorgt werden konnten. Das wird künftig kaum mehr möglich sein“, sagt Menzel.

Trotz dieser Herausforderungen, die die gesamte Kliniklandschaft in Deutschland im kommenden Jahr beschäftigen werden, sieht Menzel auch viele positive Entwicklungen am Klinikum Fulda, das rund 2.700 Mitarbeiter beschäftigt und damit größter Arbeitgeber der Region ist. Im Jahr 2019 wurden dort 42.600 Patienten stationär und 52.500 Patienten ambulant behandelt.

Höhepunkt: Eröffnung des neuen INO-Zentrums

Der Höhepunkt des Jahres 2019 war sicherlich die Einweihung des neuen INO-Zentrums. „Das INO-Zentrum bietet unserem Haus neue Perspektiven in der Spitzenmedizin“, sagt Menzel. Der Maximalversorger kann sich in neuen, größeren Intensivstationen und Operationssälen um „die schweren Patienten-Fälle“ kümmern. „Der Umzug ist gut gelaufen, wir sind sehr zufrieden“, sagt Menzel und dankt ausdrücklich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die - nicht nur im Rahmen des Umzuges - im Jahr 2019 eine überragende Leistung erbracht haben.

In der Zentralen Notaufnahme (ZNA) wurden im vergangenen Jahr etwa 44.300 Patienten behandelt – seit Juni sind in der neuen ZNA des INO-Zentrums 1.300 Patienten mehr als im Vorjahr. Die Abläufe im INO-Zentrum hätten sich gut eingespielt.

Rund 70 Millionen Euro hat der Neubau gekostet, 55 Millionen Euro hat das Land Hessen übernommen. „Dafür sind wir sehr dankbar“, sagt der Vorstandssprecher. „Ganz besonders auch für die Unterstützung der Stadt Fulda, die als alleiniger Eigentümer ihrem Klinikum den Rücken stärkt.“ Weitere Investitionen, etwa in die Sanierung des Haupthauses sind geplant. „Wir investieren zudem in die Medizintechnik und die Ausbildung“, sagt Menzel. Dies werde für das Klinikum wegen des zunehmenden Kostendrucks allerdings nicht leichter.

Dass der Maximalversorger auf einem guten Weg ist, zeigt auch das aktuelle Focus-Ranking: Hier liegt das Klinikum bundesweit auf Platz 43, in Hessen sogar auf Platz drei. Bundesweit gibt es allein 38 Uni-Kliniken. Dieser Vergleich zeigt, wie gut die Focus-Experten das Klinikum Fulda bewerten. Die Frühchenstation der Kinderklinik steht im offiziellen deutschlandweiten Ranking sogar an der Spitze und das seit bald 10 Jahren.

Ein wesentliches Kriterium für die Qualität eines Klinikums sind die Chefärzte. „Unsere ärztlichen Direktorinnen und Direktoren sind das Gesicht des Klinikums“, sagt Menzel. Er freue sich, dass mit Priv.-Doz. Dr. Kai Kallenberg ein ausgewiesener Fachmann für die Nachfolge von Prof. Dr. Erich Hofmann als Direktor der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie gefunden wurde.

Seit dem 2. Januar 2020 ist auch das Vorstandsteam im Klinikum wieder komplett. Der 56-jährige Diplom-Krankenhausbetriebswirt Burkhard Bingel kommt aus Bad Neustadt und engagiert als Vorstand Administration an der Seite von Privatdozent Dr. Menzel für das Klinikum Fulda (siehe auch unseren weiteren Beitrag oben rechts). Die beiden Macher stellen sich gemeinsam mit ihrer Führungscrew und den 2.700 Mitarbeitern den schwierigen Aufgaben und wollen den Maximalversorger als Anker der osthessischen Daseinsvorsorge mit Optimismus und Tatkraft und weiter voranbringen. (Hans-Hubertus Braune) +++

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