„Selbständig denken und handeln“

„Ist die atlantische Brücke noch verkehrssicher?“ – Vortrag auf Point Alpha

Spannender Vortrag im Haus auf der Grenze in Point Alpha
ON-Archivfoto

05.12.2019 / RASDORF/GEISA - Die transatlantische Partnerschaft ist neben der europäischen Integration der wichtigste Pfeiler der deutschen Außenpolitik. Die USA sind Deutschlands engster Verbündeter außerhalb Europas. Doch nicht erst seit dem Amtsantritt von Donald Trump als US-Präsident gibt es spürbare Spannungen. „Ist die atlantische Brücke noch verkehrssicher?“ – diese Frage stand im Blickpunkt einer Veranstaltung der Point-Alpha-Stiftung im „Haus auf der Grenze“.



Die Risse in der Statik zwischen den Kontinenten sind enorm. Irak-Krieg, Drohnenangriffe und die NSA-Abhöraffäre haben besonders in Deutschland für eine zunehmende Entfremdung gesorgt. Dazu sorgt der polternde US-Präsident auf vielen Ebenen für Irritationen. „Trump macht seine eigene Weltpolitik. Ohne Abstimmung, ohne Arbeitsteilung mit den Anderen“, analysiert der Publizist Wolfgang Tönnesmann, ehemaliger Direktor der atlantischen Akademie Rheinland Pfalz. „Wir tun was für euch, dann tut ihr was für uns (bezahlen)“, steckt hinter dem Motto „American First“. Und wer nicht auf einen „Deal“ eingeht, der müsse mit massivem Druck („Bullying“), Drohungen oder Abstrafung rechnen.

Die Zeit, in der die USA vorweglaufen und die Europäer weitgehend brav hinterher trotten, ist vorbei. „Trump hinterlässt ratlose Europäer“, sagt Tönnesmann, die jetzt alleine dastehen und erstmals eigene Entscheidungen treffen, selbstständig denken und handeln müssten. Damit habe man so schnell nicht gerechnet. „Wir sollten uns nun nicht fürchten, ein bisschen mehr Führung zu übernehmen und sagen, wo es lang geht“, macht Tönnesmann der EU Mut. Eine Integration wie vor 30 Jahren mit der DDR, so was brauchen wir jetzt für Europa“, zog er am historischen Ort auf der ehemaligen Grenze zwischen Rasdorf und Geisa eine Parallele zur Wiedervereinigung.

Die geschichtlichen Aspekte der transatlantischen Beziehungen nahm Professor Dr. Philipp Gassert, Lehrstuhlinhaber für Zeitgeschichte an der Universität Mannheim und Experte für europäische und nordamerikanische Geschichte, unter die Lupe. Das Startsignal für die gewaltige Präsenz der Amerikaner auf dem Globus sei eigentlich erst mit der Kriegserklärung der Deutschen am 11. Dezember 1941 erfolgt.

„War das ein Erstaunen, als zum Ende des Krieges Menschen aus Missouri oder Alabama mit Candys, Schokolade und Weißbrot plötzlich in den Orten des Fuldaer oder Geiser Landes auftauchten. Es entstand eine freundschaftliche Brücke nicht nur in politischen oder militärischen Fragen, sondern auch auf kulturellen und gesellschaftlichen Ebenen. Durch die sowjetische Bedrohung, den „Kalten Krieg“ und dem Kommunismus als Feindbild einer liberalen Weltordnung vor Augen entstand nach und nach ein Netz internationaler Verknüpfungen und ein Geflecht an Institutionen.“ Die USA gingen vorweg, Kosten spielten dabei für die Weltmacht eine untergeordnete Rolle.

Doch während die Vereinigten Staaten die Welt hegten und pflegten, geriet das eigene Haus in Unordnung. Kriegsmüdigkeit und aus dem Ruder laufende Kosten für Militäreinsätze und den Schutz der reichen Europäer führte zu einem Umdenken. Laut Gassert meinen Experten, die USA wolle die Welt nun nicht mehr im Alleingang dominieren, sondern Aufgaben delegieren, damit die Bündnispartner in ihrem Sinne agierten.

Die Brücke über die die Verbündeten hin und her gelaufen sind, schwankt also. Doch ob sie fällt, können auch die beiden Referenten nicht vorhersagen. „Das wäre ein Blick in die Glaskugel“. Trump sei zwar unberechenbar, ergreife einseitig Partei und polarisiere. Aber Trump sei nicht Amerika. Immerhin 70 Prozent der US-Bürger meinten, die USA solle weiterhin international mitwirken. Und 74 Prozent glaubten, es sei wichtig, weiterhin Alliierte an seiner Seite zu haben.

Begrüßt hatte die Gäste die pädagogische Mitarbeiterin der Point-Alpha-Stiftung, Marina Melber. Sie tat dies auch im Namen des Kooperationspartners, der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung (HLZ). Im Anschluss beantworteten die Referenten die Fragen des Publikums. (pm) +++

Die pädagogische Mitarbeiterin der Pont Alpha Stiftung, Marina Melber, konnte im „Haus auf der Grenze“ die Referenten Professor Dr. Philipp Gassert (links) und Wolfgang Tönnesmann begrüßen.    
Foto: Point Alpha

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