"Das System ist krank"

Spinalkanalstenose: Gelungener Vortrag von Dr. Samir Al-Hami

Der Fuldaer Neurochirurg Dr. Samir Al-Hami klärte in seinem Fachvortrag über Spinalkanalstenose auf
Fotos: Martin Engel

19.11.2019 / FULDA - Rückenschmerzen, Taubheitsgefühle und angehende Lähmungen: Das alles können Indizien für eine Spinalkanalstenose sein. Über das immer häufiger vorkommende Krankheitsbild klärte der Fuldaer Neurochirurg Dr. Samir Al-Hami am Montagabend in der Münsterfeldhalle über 260 Interessierte und Betroffene auf. Der Experte fand deutliche Worte und informierte unter anderem über Ursachen, Therapiemöglichkeiten und Komplikationen.

Bei der Spinalkanalstenose handelt es sich um eine Verengung des Rückenmarkskanals. "Viele Patienten und Mediziner verwechseln dieses Krankheitsbild mit einem Bandscheibenvorfall, was fatale Folgen haben kann", klärte der Neurochirurg auf. Als Beispiel nannte der Referent eine Spinalkanalstenose des zweiten und dritten Halswirbelkörpers. Durch die Verengung und den Druck auf das Rückenmark sowie die Nerven könnte eine Querschnittslähmung die Folge sein. "Und daran erkennen wir, wie wichtig dieses Krankheitsbild ist."

Immer mehr Patienten leiden an Spinalkanalstenose



Im zunehmenden Alter steigt laut Al-Hami die Wahrscheinlichkeit an der Spinalkanalstenose zu erkranken. Aufgrund des demografischen Wandels nimmt die Zahl an Patienten stetig zu. "Über 80 Prozent der Patienten, die im Neuro-Spine-Center operiert werden, leiden darunter."

Die Erkrankung entsteht in Folge des Verschleißes der Wirbelsäule. Im fortschreitenden Alter verliere die Bandscheibe an Vitalität, woraufhin eine Mikroinstabilität entstehe. "Die Folge ist Arthrose in den Gelenken." Und genau daher rühre auch das Problem der Spinalkanalstenose, denn durch Knochenanbauten schwellen die Gelenke an, wodurch der Rückenmarkskanal eingeengt wird. "Es gibt keine Spinalkanalstenose ohne Arthrose und jahrelange Rückenschmerzen. Allerdings sind die Wahrnehmung und der Grad der Schmerzen bei jedem Patienten unterschiedlich." Vorrangig treten die Probleme im Hals- und Lendenwirbelbereich auf.

Ursachen, die zur Spinalkanalstenose führen, können angeboren sei – so zum Beispiel die Skoliose und das Hohlkreuz - also eine Fehlstatik der Wirbelsäule. Ebenso gebe es erworben, durch jahrelange Fehlhaltungen, schweres Heben oder tägliche Arbeit im Sitzen, Ursachen. "Patienten können die Spinalkanalstenose durch Prävention vorbeugen. Allerdings wird die Prävention von vielen Betroffenen und leider auch von unserem Gesundheitssystem nicht ernst genommen." Von über 200 Milliarden Euro an Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen werden laut Al-Hami nur ca. 0,2 Prozent in vorbeugende Maßnahmen investiert. "Das System ist krank. Wenn wir operieren wird gar nicht nachgefragt und sofort bezahlt", kritisierte Al-Hami.

"Keine Therapie ohne Diagnose"

Dass einer Therapie immer erst eine "saubere" Diagnose vorangehen muss, lernen Mediziner dem Referenten zu Folge im zweiten Semester. "Viele Patienten kommen zu mir und sagen, ihre Diagnose seien Rückenschmerzen. Aber Rückenschmerzen sind keine Diagnose, sondern ein Symptom." Ohne Anamnese, körperliche und gegebenenfalls weiterführende Untersuchungen sei eine adäquate Behandlungstherapie nicht möglich. Durch modernste Technik wie der Kernspintomografie und dem Röntgen, sollte das kein Problem sein.

Durch symptomatische Therapien, wie der Physiotherapie, könnten die Symptome wie Schmerzen zwar vorerst gelindert, allerdings könne eine Spinalkanalstenose nur durch eine Operation beseitigt werden. "Den Druck auf die Nerven und das Rückenmark kann man nicht anders nehmen", verdeutlichte Al-Hami: "Das Fortschreiten einer Spinalkanalstenose ist so sicher, wie das Amen in der Kirche." Eine Versteifungsoperation hingegen sei oftmals nicht notwendig.

Der Vortrag von Dr. Al-Hami kam bei den Zuhörern bestens an. Vor allem seine Kritik am Gesundheitssystem und an der Vorgehensweise vieler Mediziner stieß bei den Betroffenen auf Zustimmung. Während des Vortrags und im Anschluss wurden zahlreiche Fragen gestellt, die der Experte auch ohne Untersuchung bestmöglich versuchte zu beantworten. Mit seinem Fachvortrag sorgte Al-Hami bei den Patienten für Aufklärung. (jul) +++

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