Wildunfälle vermeiden, Tierleid verhindern
Erfolgreicher Aktionstag - Tipps und Tricks von Polizei, ADAC und Jägerschaft
Fotos: Carina Jirsch
14.10.2019 / REGION -
Tipps und Tricks zu diesem Thema gab es am Sonntag von Polizei und Jägerschaft, gemeinsam mit dem RP und der Stadt Gießen sowie dem ADAC und dem Bund gegen Alkohol und Drogen im Straßenverkehr (B.A.D.S.) auf dem Schiffenberg in Gießen. Die Experten hatten gemeinsam zum Aktionstag "Wildunfälle" geladen - ein großes Erlebnis für die ganze Familie.
Eines von vielen Highlights war der Live-Crash-Test mit anschließendem Rettungsszenario von Feuerwehr, Johanniter und Polizei. Großer Beliebtheit erfreute sich aber auch der Fahrsimulator des ADAC und des B.A.D.S, mit welchem Interessierte ihr Können und vor allem ihre Reaktionszeit zu plötzlich wechselndem Wild auf der Straße testen konnten. Zahlreiche Autobesitzer nutzten ebenfalls die Chance, ihren Pkw von einem "Gelben Engel" des ADAC kostenlos durchchecken zu lassen.
Alle 90 Minuten ein Wildunfall in Mittelhessen
"Es ist wichtig, vorbereitet zu sein. Das umfasst nicht nur einen 1a technischen Zustand des eigenen Fahrzeugs, sondern auch das Bewusstsein, dass in Mittelhessen Wildtiere nahezu jederzeit in einem Waldstück oder an einem Feld die Straße überqueren könnten", macht Bernd Paul der Präsident des Polizeipräsidiums Mittelhessen deutlich: "Gerade in unserer waldreichen Heimat ist die Gefahr mit einem Wildtier auf der Straße zu kollidieren sehr hoch. Der Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Mittelhessen umfasst die Landkreise Gießen, Wetterau und Marburg-Biedenkopf sowie den Lahn-Dill-Kreis. 2018 zählte die Polizei über 5.400 Wildunfälle in Mittelhessen. An der Gesamtzahl der in Mittelhessen registrierten Unfälle (24.270) haben Wildunfälle einen Anteil von 22 Prozent. Mehr als jeder fünfte Verkehrsunfall im zurückliegenden Jahr war ein Wildunfall. Somit ereignete sich auf mittelhessischen Straßen im vergangenen Jahr durchschnittlich alle 90 Minuten ein Zusammenstoß mit einem Wildtier."
Eine Studie des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) zeigt, dass die Morgenstunden zwischen 05.00 Uhr und 08.00 Uhr sowie die Abendstunden zwischen 17.00 Uhr und 00.00 Uhr als Spitzenzeiten auszumachen sind. Die Monate Mai, Oktober und November weisen Häufungen von Wildunfällen auf. Diese Erkenntnisse können eins zu eins für die vier Landkreise des Polizeipräsidiums Mittelhessen übernommen werden.
Landstraßen führen durch die Wohn- und Esszimmer des Wildes
Immer früher einsetzende Dunkelheit, sinkende Temperaturen, Nebel und feuchte Blätter auf den Straßen sind untrügliche Anzeichen dafür, dass der Herbst im Anmarsch ist. Was für die Menschen im Tagesablauf lediglich eine Veränderung von Wetterumständen sowie Hell- und Dunkelzeiten bedeutet, ist für Wildtiere eine tödliche Gefahr. Während die Menschen zu den von der Uhr und nicht vom Tageslicht bestimmten Zeiten vom Wohnort zur Arbeit und zurück pendeln, fahren sie direkt durch Wohn- und Esszimmer des Wildes. Somit sind Kollisionen zwischen Fahrzeugen und den Tieren, besonders zu den Dämmerungszeiten morgens und abends, auf den Landstraßen vorprogrammiert.
Tiere handeln instinktiv – Der Mensch kann bewusst gegensteuern
Die meisten Maßnahmen zur Eindämmung der Wildunfälle zielen auf die Wildtiere selbst ab. Zäune, Geruchsstoffe oder Reflektoren sollen die Tiere von der Straße fernhalten, mit mehr oder weniger großem Erfolg. Wildtiere folgen ihrem Nahrungsrhythmus und ihren Instinkten, sie halten sich nicht an die von Menschen gemachten Hindernisse – darauf zu vertrauen ist fahrlässig.
Menschen hingegen können ihr Verhalten an Situationen anpassen. Wo vor Wildwechseln gewarnt wird oder erfahrungsgemäß eher mit Tieren im Straßenbereich zu rechnen ist, sollten die Verkehrsteilnehmer ihre Fahrweise anpassen.
Was tun, wenn es zu einem Unfall gekommen ist?
Das möglicherweise noch lebende Tier sollte auf keinen Fall angefasst oder gar mitgenommen werden. Dieter Mackenrodt, Vizepräsident des Landesjagdverbandes und Vorsitzender des Jagdvereins Hubertus Gießen und Umgebung e. V.: "Warten Sie auf das Eintreffen der Polizei, des Jägers oder des Försters. Sollte das Wildtier nach dem Zusammenstoß geflüchtet sein, kann es trotzdem schwere Verletzungen davongetragen haben. Deshalb ist es wichtig, das verletzte Tier unverzüglich mit einem Jagdhund zu suchen und von seinen Leiden zu erlösen. Oft vergeht dabei wertvolle Zeit, bis der genaue Unfallort gefunden werden kann und der Hund mit der Suche beginnen kann. Deshalb: Der Ort der Kollision muss gut sichtbar markiert werden. Binden Sie ein Papiertaschentuch oder eine Tüte in Augenhöhe an den nächstgelegenen Baum oder Strauch oder Stülpen Sie einen der Einweghandschuhe aus dem Verbandkasten über den nächstgelegenen Leitpfosten. Bitte warten Sie in sicherer Entfernung zur Straße bis die Polizei, Jäger oder Förster eingetroffen sind."
"Tiere kennen weder Verkehrsregeln noch Zeitumstellung. Wir empfehlen immer mit angepasster Geschwindigkeit und vorausschauender Fahrweise zu fahren", rät Wolfgang Herda, Verkehrsexperte des ADAC Hessen-Thüringen. "80 Km/h könnten schon zu viel sein. Nur mit ausreichend Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug behalten Verkehrsteilnehmer den Überblick und kommen bei einer Gefahrenbremsung rechtzeitig zum Stehen. Ist eine Kollision nicht mehr zu vermeiden, auf keinen Fall ausweichen, sondern Lenkrad gut festhalten und die Bremse durchtreten. Sonst droht die Fahrt an einem Baum oder im Gegenverkehr zu enden." (pm/jul) +++