Lehren und Lernen auf Augenhöhe

Volkshochschule begeht hundertsten Geburtstag mit zahlreichen Gästen

Teilnehmerinnen eines Nähkurses, der in den 1930er Jahren vermutlich vom Volksbildungswerk angeboten wurde, dem Vorläufer der Volkshochschulen. Hinten Mitte: Kursleiterin Maria Anreich aus Mittelaschenbach.
Foto: privat

21.09.2019 / REGION - Bildung sollte für jeden möglich sein. So lautete das Ziel, als man im Jahr 1919 die Volkshochschulen in Deutschland gründete. Ihr hundertjähriges Bestehen wird in diesem Jahr an vielen Orten gefeiert. So auch in Fulda – auch wenn die Volkshochschule, kurz VHS, hier wohl erst ein Jahr später eröffnete. Bei der „Langen Nacht der Volkshochschulen“, die am Freitag im Georg-Stieler-Haus am Gallasiniring stattfand, störte das niemanden. Hier wurde bis spät in die Nacht „gefeiert“ – denn immerhin befindet man sich ja im hundertsten Jahr.



„God save the Volkshochschule“, so titelte die TAZ anlässlich des hundertsten Geburtstags der Volkshochschulen in Deutschland. Eine Abwandlung eines bekannten Zitats, die am Freitagabend in den Räumlichkeiten der Volkshochschule am Gallasiniring großen Anklang fand. Denn was vor hundert Jahren begann, erfreut sich auch heute noch größter Beliebtheit. „Die Volksbildung soll von Reich, Ländern und Gemeinden gefördert werden“, so wurde es damals, im Jahr 1919, im Artikel  148 festgeschrieben. Erstmals bekannte sich der Staat zur Verantwortung, Erwachsene auch noch jenseits der Schule zu bilden.

In den darauffolgenden hundert Jahren wurden die Volkshochschulen quasi zum Spiegelbild der Gesellschaft. Was die Menschen in den Städten und Dörfern im ganzen Land begeistert, fand und findet sich in den Programmen der Volkshochschulen wieder. Peter Ballmeier, der frühere Leiter der Volkshochschule des Landkreises Fulda, erinnert sich noch gut daran, dass früher ganze Dörfer in die angemieteten Räumlichkeiten der VHS strömten, wenn beispielsweise ein Reisevortrag angeboten wurde. „Heute hingegen ist Digitalisierung ein viel größeres Thema“, sagt er. Und die Volkshochschulen reagieren darauf. Inzwischen werden Online-Seminare und –Kurse angeboten, die man bequem von der heimischen Couch aus besuchen kann. „Daran sieht man, wie nah die Volkshochschulen dem Volk sind“, sagte auch Dr. Christoph Köck, der Direktor des hessischen Volkshochschulverbands und fügte an Landrat Bernd Woide gerichtet hinzu: „Sie können stolz auf Ihre Volkshochschule sein.“

Dieser machte dann in seiner Festrede einen weiteren wichtigen Punkt deutlich. Nämlich den, dass Bildung auch eine soziale Funktion hat: Hundert  Jahre Volkshochschule bedeuten nicht nur hundert Jahre Bildung. Sie bedeuten auch hundert Jahre Teilhabe und Miteinander. Wer einen Kurs der Volkshochschule besucht, der trifft zumeist auf Menschen mit ähnlichen Interessen. Nicht selten werden aus Kursteilnehmern, die sich vorher gar nicht kannten, Freunde. Das war vor hundert Jahren so, als ganze Dörfer in die Volkshochschule kamen, wenn ein neuer Kurs angeboten wurde, und das ist auch heute, in Zeiten der Digitalisierung, oft noch so.

Ob dazwischen nun hundert oder „nur“ 99 Jahre liegen: „Wir feiern heute mit Ihnen unseren Geburtstag. Und darüber freuen wir uns“, hieß es von Michael Friedrich, dem Leiter der Volkshochschule des Landkreises Fulda, bevor er treffend auf den Punkt brachte, was die Volkshochschulen aus- und so bedeutend macht: „Wenn ich als Lehrender einen Kurs an der Volkshochschule gebe, dann weiß ich, dass mir jeder der Kursteilnehmer selbst eine ganze Menge beibringen kann“, sagte er und beschrieb damit, dass das Lehren und Lernen an einer Volkshochschule auf Augenhöhe stattfindet. Und deswegen, da waren sich am Freitagabend alle einig, sollte es die Volkshochschulen auch noch mindestens weitere hundert Jahre geben. (sur) +++

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