"Wie vor den Kopf geschlagen"
Jüdische Opferfamilien fühlen sich von Bürgermeister Kübel brüskiert
Foto: O|N
21.09.2019 / BAD SALZSCHLIRF -
Eine von ihnen ist die 75-jährige Ellie Roden, die sich dafür auf die weite Flugreise aus Wilmington (USA) gemacht hat. Wenn sie in ihrem Fuldaer Hotelzimmer über den für sie unglaublichen Affront durch den Bürgermeister und das Zerwürfnis spricht, kommen ihr die Tränen: "Er hat sich offenbar in ein Loch manövriert, aus dem er jetzt nicht mehr herausfindet", urteilt sie über dessen Verhalten. Zunächst war die Vorbereitungsgruppe für das geplante Gedenken und die Errichtung einer Erinnerungsstätte konstruktiv und zielführend verlaufen. Doch plötzlich kam es zum Streit darüber, wer bei dieser Gelegenheit sprechen solle. "Es war ausgemacht, dass vier der Nachkommen jeweils etwas über ihre Familien erzählen sollten, derer wir hier gedenken", beschreibt Anja Listmann. Doch der Bürgermeister widersprach dieser Planung, habe die Zahl auf nur ein oder zwei Angehörige beschränken und deren Redezeit ebenfalls auf ein Minimum reduzieren wollen.
Keine Täternamen nennen?
Bürgermeister Kübel bestreitet vehement, er habe die Angehörigen in dem, was sie bei der Gedenkveranstaltung sagen wollten, in irgendeiner Weise einschränken oder zensieren wollen. "Ich habe nur darauf hingewiesen, dass es am Samstag schon einen Abend der Erinnerung mit allen Beteiligten geben solle". Außerdem sollten bei diesem Anlass die Opfer und nicht die Täter in den Blick genommen werden.
Im Ergebnis ist aus einer versöhnlichen Idee für ein würdigendes Gedenken eine Ohrfeige für die Opferangehörigen geworden. Bürgermeister Kübel fühlt sich nun missverstanden und hofft auf Gesprächsbereitschaft bei den Betroffenen. Doch das Tischtuch scheint endgültig zerschnitten. Und abgesehen davon, dass alle 15 ihr selbst bezahltes Flugticket nach Hause längst gebucht haben, besteht bei ihnen auch kein weiterer Gesprächsbedarf. Sie werden sich gemeinsam mit Anja Listmann am Sonntag um 14 Uhr auf dem jüdischen Friedhof in der Heidelsteinstraße treffen, um dort die 19 Tafeln anzubringen und ein gemeinsames Gedenken abzuhalten. Eine jammervoll missglückte Geschichte, die zu großer Verbitterung geführt hat. (Carla Ihle-Becker)+++