Heftige Kritik am Verkehrskonzept

Bahnhöfe machen dicht, Bushaltestellen werden nicht mehr angefahren


Archivbilder: O|N

24.08.2019 / ALSFELD - Wie kommen Sie jeden Tag zur Arbeit? Zu Fuß, mit dem Rad, mit Bus und Bahn oder doch am liebsten mit dem eigenen Auto? Vor allem in ländlich geprägten Regionen - wie dem Vogelsberg - ist es nicht immer leicht, lange Wege mit Nahverkehr oder gar dem Rad zu bewältigen. Hier fehlt vor allem ein attraktives Angebot, um die Menschen zum Umdenken zu bewegen - für die eigene Gesundheit und auch des Klimawandels Willen. Das sehen Philipp Balles und Mira Aretz vom BUND Vogelsberg so. Im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS zeigen sie die Probleme beim Vogelsberger Verkehrskonzept auf - und setzen auf ein Umdenken mit konkreten Lösungsansätzen.

"In Alsfeld suchen die Menschen einfach tausend Gründe, um ihr Auto zu benutzen. Jeder Meter wird hier gefahren", berichtet Mira Aretz. Sie erläutert das Problem: "Die Stadt macht es den Leuten leicht, Parken kostet fast nichts, ein neues Parkhaus in der Stadt ist schon in Planung, das ist für mich erschreckend." Doch es hängt nicht nur an der Bequemlichkeit - einige greifen auf ihr Auto zurück, weil ihnen schlussendlich gar nichts anderes übrig bleibt. "Der Alsfelder Stadtbus fährt beispielsweise nur in der Innenstadt, die umliegenden Ortsteile werden gar nicht angefahren", bemängelt Philipp Balles. Die beiden sind sich sicher: "Es wurde die letzten Jahrzehnte einfach in die falsche Richtung gearbeitet: Bushaltestationen werden gar nicht oder nur selten am Tag angefahren, Bahnhöfe auf dem Land wurden still gelegt."

"Es ist ein Henne-Ei-Problem"


Das eigene Auto ist also nicht umsonst ein beliebtes Verkehrsmittel im Vogelsberg. "Natürlich sitzt auch deshalb niemand mehr in den Bussen drin - es ist ein Henne-Ei-Problem", so Balles. Deshalb würde es seiner Meinung auch nichts bringen, mit Messungen auf das Problem zu reagieren. Sondern: "Es muss mit den Menschen gesprochen werden, um zu sehen, wo es klemmt. Gut wäre also, ein Angebot zu schaffen, vielleicht testweise für ein halbes Jahr, um zu schauen, ob für einige der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel, oder gar das Fahrrad, eine attraktive Alternative wäre." Für ihn sei das alles eine Frage des Willens, vor allem aus politischer Sicht. "Warum schaut man nicht mehr auf unserer Nachbarländer?" Diese seien gute Vorbilder, von denen man sich nicht nur in Sachen Maut, Tempolimit oder Güterverkehr einiges abschauen könne.

Aretz kritisiert vor allem die Situation zum Fahrrad fahren in der Alsfelder Innenstadt: zu unsichere Radwege zu den Schulen, wenige bis gar keine Schutzstreifen und Tempo 50 für Autos seien grundlegende Probleme. Auch wegen diesen Gründen bekam Alsfeld beim letzten Fahrradklimatest die Schulnote 4 und landete ernüchternd auf einem der letzten Plätze im Hessen-Ranking. "Vor ein paar Tagen bin ich in Gießen und Frankfurt mit dem Fahrrad unterwegs gewesen - das war eine Erholung im Gegensatz zu Alsfeld." In Alsfeld seien die Autofahrer Fahrräder einfach nicht gewöhnt, "deshalb ist dort das Fahrrad fahren sehr gefährlich."

Sie versteht nicht, warum für Fahrradfahrer in Alsfeld so wenig getan wird: "Alle reden über Staus, über schlechte Luft und zu viel Lärm in den Innenstädten. Dabei ist eine Lösungangebot für diese Probleme schon lange bekannt: das Fahrrad." Die Wege in Alsfeld seien so kurz, dass viele Menschen, bei einem attraktiveren Angebot, auf das Fahrrad umsteigen würden.

Teurer Sprit als Handlungsanreiz?

Der BUND sieht aber das Rad in den letzten Jahren wieder im Kommen, "vor allem durch das E-Bike". Dafür sollen nun auch bessere Bedingungen geschaffen werden - beispielsweise in den Zügen. "Da ist eine Fahrradmitnahme enorm wichtig. Die gibt es bereits in Zügen, aber noch nicht in Bussen."

"Rad und E-Bikes fördern nicht nur die Gesundheit, sondern sind auch noch preiswert. Denn spätestens wenn die Spritpreise die echten Umweltkosten widerspiegeln, wird eine Entscheidung für das Rad leicht fallen. Aber so lange sollten wir nicht warten." (Luisa Diegel) +++

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