O|N-Reporter gegen Handball-Drittligisten
Mein Sportmoment des Jahres: Wie ein Kirmesboxer gegen Klitschko
Foto: Jonas Wenzel (Yowe)
02.07.2019 / HÜNFELD -
Sich einmal mit Profis messen: für viele Amateursportler ist das ein Highlight in ihrer Laufbahn. Unser Sportreporter Tobias Herrling durfte am Wochenende zwar nicht gegen einen Bundesligisten, dafür aber gegen einen Handball-Drittligisten spielen – und erzielte das letzte, aber nicht entscheidende Tor des Tages.
Als ich ein kleiner Steppke war, gastierten bei meinem Heimatverein die europäischen Handball-Größen. Der SC Magdeburg hatte sich wenige Wochen zuvor die Krone in der Champions-League aufgesetzt, nun machte die zu diesem Zeitpunkt beste Mannschaft Europas Halt beim TV Etwashausen, einem Stadtteilverein meiner fränkischen Heimat Kitzingen.
Die „Gladiators“, wie sich der SCM damals nannte, hatten alles, was Rang und Namen hatte, im Gepäck und liefen unter anderem mit Handball-Punk Stefan Kretzschmar, den Rückraum-Kanten Olaffor Stefannson und Joel Abati oder dem legendären isländischen Kreisläufer Sigfús Sigurðsson auf. Seit diesem Tag im Sommer 2002 war es mein größter Handballer-Wunsch, mich auch einmal mit Profis messen zu dürfen. Dass die Ausnahmekönner einen einmal auf Links drehen würden – geschenkt. Leider kam auf den Stationen meiner Laufbahn, sofern man davon überhaupt sprechen kann, ein solches Spiel nie zustande.
2015 führte mich mein Weg schließlich als Sportreporter nach Fulda und zu OSTHESSEN|NEWS. Immerhin, so dachte ich, kann ich nun über diese Spiele, wenn sich Amateure und Profis in ungleichen Duellen gegenüberstehen, berichten. Etwa, als die Bundesliga-Fußballer von Mainz 05 bei Borussia Fulda zu Gast waren, die Handballer der HSG Großenlüder/Hainzell den Drittligisten Gelnhausen empfingen oder eine Osthessen-Auswahl gegen den Handball-Bundesligisten MT Melsungen spielte.
Dass ich doch noch einmal gegen einen höherklassigen Gegner auflaufen würde, daran glaubte ich nicht mehr. Denn tendenziell befinde ich mich eher im Herbst als im Frühling meiner „Karriere“. Am vergangenen Samstag war es dann aber doch so weit: Ich, der Sportreporter, der abgesehen von zwei Spielzeiten nur auf Bezirksebene aktiv war, durfte gegen den Drittligisten Eintracht Baunatal mitspielen.
Zugegeben: Baunatal ist natürlich nicht Magdeburg. Gegen einen ehemaligen Zweitligisten zu spielen, ist dennoch etwas Besonderes. Der Hünfelder SV, bei dem ich eigentlich in der zweiten Mannschaft spiele, hatte zu seinem 100-jährigen Jubiläum den ehemaligen Zweitligisten um seine früheren Spieler Paul Gbur und Felix Rehberg eingeladen.
Ob ich nun aufgrund meiner Trainingsbeteiligung oder der Tatsache, dass einige Spieler fehlten, mitspielen durfte, sei einmal dahingestellt. Zwar war die Eintracht ebenfalls nicht vollzählig, aber immerhin hatte sie Spieler wie Gbur, Marvin Gabriel, Dennis Weinrich oder Felix Geßner dabei. Allesamt Akteure, die mit Baunatal schon in der 2. Bundesliga spielten.
Zu viel Zeit, zu viel Platz
Bis Minute 53 liefen im Angriff das Spiel und in der Abwehr die Gegenspieler an mir vorbei, als wäre ich eine dieser aufblasbaren und unbeweglichen „Airbodys“, die jeder Handballer kennt. Als würde ein Kirmesboxer gegen Wladimir Klitschko antreten. Prädikat: überfordert. Dann aber die Gelegenheit, sich in die Torschützenliste einzutragen. Ein Anspiel an den Kreis findet den Weg zu mir. Ich habe Zeit, ich habe Platz. Zu viel Zeit, zu viel Platz. Der klägliche Abschluss ist kein Problem für den Torwart – Chance vertan, denke ich mir, und ärgere mich.
Immerhin darf ich wenige Sekunden vor Schluss noch einen zugesprochenen Siebenmeter werfen und treffe zum Endstand von 28:35. Ein versöhnliches Ende eines persönlichen Highlights, einmal Drittliga-Luft zu schnuppern. In der zweiten Mannschaft bin ich dann aber doch besser aufgehoben. Schon allein deswegen, weil es dort Trikots in XL gibt. (Tobias Herrling) +++