Gegen Judenhass einsetzen!
Antisemitismus, eine Herausforderung auch für die christlichen Kirchen
Symbolbild
08.06.2019 / REGION -
Der Frage, ob der wiedererstarkte Antisemitismus auch eine Frage der Kirchen sei, stellten sich in der Hochschulbibliothek auf dem Campus Prof. Dr. Cornelius Roth von der Theologischen Fakultät Fulda und Pfarrer Marvin Lange von der Bonhoeffer-Gemeinde in Ziehers-Nord. Moderator Dr. Michael Imhof als Kurator der Ausstellung „Judentum in der Region Fulda“ und Hochschulratsvorsitzender stellte an den Anfang die Aufforderungen des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung Felix Klein, dass sich die Kirchen mehr gegen Judenhass einsetzen sollten. Diese Forderung griffen die beiden Theologen auf.
In der Liturgie zeige sich dieser Respekt u.a. in der Umformulierung der Karfreitagsfürbitte und in der Tatsache, dass in der katholischen Leseordnung jeden Sonntag die erste Lesung aus dem Alten Testament, der jüdischen Bibel, genommen werde. Die Anerkennung des Staates Israel durch den Vatikan im Jahre 1993 dokumentiert diese Entwicklung auch auf der diplomatischen Ebene.
Pfarrer Lange nahm den Ball für die protestantische Sicht auf und war rasch „mittendrin im heutigen Antisemitismus“, immer wieder vor dem Hintergrund der theologische Ebene. Nach dem Bogen antisemitischer Haltungen, die sich schon im ägyptischen Pharaonenreich zeigten und schließlich zum Exodus der Israeliten durch das Rote Meer führten, über Luthers Ausfälle gegenüber den Juden, dem millionenfachen Morden an den Juden durch die Nationalsozialisten zum wiedererstarkten Antisemitismus heute, der bedrohlich wieder in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei.
Zur Frage, woran erkenne ich den als Israelkritik getarnten Antisemitismus, empfahl Lange den sogenannten Drei-D-Test. Erstens: Dämonisierung, wenn Israel mit Nazi-Deutschland verglichen oder Gaza als Ghetto bezeichnet wird, wie dies in manchen Medienberichten oder den kürzlichen antiisraelischen Al Kuds-Demonstrationen geschehe. Zweitens: Doppelte Standards, die ausschließlich Israel in die Kritik nehmen, autoritäre Staaten des Nahen Ostens oder in Afrika, Asien oder Russland aber ausspart, in denen die Menschenrechte, das Recht auf freie Meinungsäußerung oder Pressefreiheit und die Rechte von Andersgläubigen mit Füßen getreten werden. Drittens: Delegitimierung, wenn Israel jegliches Existenzrecht abgesprochen wird oder die Politik Israels gegenüber den Palästinensern zur Rechtfertigung antijüdischer Vorbehalte dient.
Nicht Fassungslosigkeit und Resignation könnten die Konsequenz sein, sondern eine offensive Auseinandersetzung mit allen Formen und Vorurteilen des Antisemitismus, auch den versteckten und heute vermeintlich wieder salonfähig gewordenen, war der Grundtenor des Abends. Dies sei dringend nötig, da laut Repräsentativumfragen über 30 Prozent der Bevölkerung in Deutschland dem Verschwörungsmythos Antisemitismus zuneigten. Eine lebhafte Diskusssion mit und unter den Teilnehmern der gut besuchten Veranstaltung im Bibliotheks-Foyer schloss sich an. (pm)+++
Fotos: Zukunft Bildung Region Fulda e.V.