Steinzeit schmackhaft gemacht
Ein besonderer Landfrauen-Abend in Sannerz
Fotos: Walter Dörr
16.05.2019 / SINNTAL -
In eine andere Welt des Kochens wurden die Landfrauen aus Sannerz entführt. In die der Steinzeit, also so vor 10.000 Jahren. Bei einem außergewöhnlichen Vereinstreffen wagte man bzw. Frau den Selbstversuch und alle Teilnehmerinnen waren überrascht und überwältigt davor, wie gut es schmeckte. Damals aßen die Menschen viel Fleisch und Fisch, aber auch gesammelte Pflanzen.
Auf dem Speiseplan standen jahreszeitlich bedingt Beeren, Pilze, Vogeleier, Nüsse und Wurzeln. Im salzarmen Binnenland würzte man mit Kräutern, an Meeresstränden sammelte man Muscheln und andere Meerestiere und -pflanzen. Die Authentizität beim Steinzeit-Essen wollten die Damen jedoch nicht so weit treiben, dass sie sich ums Lagerfeuer setzen und mit den Händen essen. Aber Steinmesser mussten schon sein, um die im Musikraum des Mehrzweckhauses in Sannerz von allen gemeinsam zubereiteten zehn Gerichte zu essen. „Geschmeckt hat alles super,“ urteilte die Vorsitzende Susanne Goldhagen.
Sie und die Referentin der Veranstaltung, Mitglied Bärbel Berhorst, hatten sich dem Anlass entsprechend in Fell gehüllt und wurden für dieses Outfit zu Beginn stürmisch bejubelt. Bevor es ans Essen ging, gab Bärbel Berhorst in ihrer bekannt begeisternden Art Wissen weiter. Die Epoche der Steinzeit umfasse einen sehr langen Zeitraum. Beginn vor unvorstellbaren 2,6 Millionen Jahren und Ende etwa vor 4.000 Jahren. Der Zeitabschnitt bezeichne man als Steinzeit, weil man davon ausgeht, dass die damaligen Menschen vor allem Steine als Werkzeuge benutzt haben. Die lange „Steinzeit“ wird in die Abschnitte Alt-, Mittel- und Jungsteinzeit untergliedert.
Von den erlegten Tieren wurde alles verwendet: Fleisch diente frisch oder getrocknet zur Nahrung, Geweihe als Grabstöcke, Hufe zum Lehmkochen, Knochen als Werkzeuge und Gerätschaften, Fett zum Kochen und zur Beleuchtung, Felle für Bekleidung oder als „Kochtöpfe“, Schlafecken und Behausung. Für Küstenbewohner waren es Meeresfrüchte und Wasserpflanzen: frische oder getrocknete Fische dienten genau wie Krebse als Nahrung, Muscheln als Löffel, Gräten als Nadeln, Schildkrötenpanzer als Schüsseln, Wassernüsse als Gemüse, Rohrkolbenwurzeln als Mehlersatz und es gab Honig und Beeren zum Süßen. Wenn sich Gerichte nicht über dem offenen Feuer zubereiten ließen, erhitzte man Steine (Basalt) im Feuer und ließ sie in die Flüssigkeit fallen. Sie wurden mehrmals ausgetauscht, sodass schon nach kurzer Zeit das Wasser heiß war und sogar kochte. Nahrung garte man auch in Erdöfen. Hierzu nahm man große Blätter wie Wildkohl, darin wurde Fleisch und Gemüse eingewickelt, gewürzt mit Kräutern (auch mit Salz, wenn es zur Verfügung stand).
Der steinerne Faustkeil war ein Universalwerkzeug und neben Knochen- und Steinmessern einer der wichtigsten Gegenstände im Alltag. Wichtig war das Feuer, es sorgte für Wärme, die Abschreckung wilder Tiere im Freien und diente zur Nahrungszubereitung. Anfangs nutzte man Feuer nur zufällig nach Blitzschlag oder Waldbrand. Später entdeckte man zum Feuermachen Pyrit und Feuerstein. Dass die Menschen neugierig waren, erfuhren die Landfrauen, und dass sie weite Wanderungen zur Jagd oder zum Suchen neuer Wohnstätten unternahmen. In den dünn besiedelten Gebieten trafen immer wieder Gruppen aufeinander und wenn man sich nicht gegenseitig umbrachte, entstand Handel, Kommunikation, Austausch und Partnerschaft.
Baumpilze wie Zunder, der nur auf Buchen wächst, wurde zum Feuermachen genutzt. Er war auch eine wunderbare Blut stillende Wundauflage. Am Kopf getragen soll er sogar gegen Migräne helfen. Aus Birkenrinde fertigte man stabile Vorratsgefäße und Birkenpech war der bevorzugte Klebstoff für die Fertigung von Werkzeugen und Jagdwaffen. In Mußestunden bastelte man Schmuck aus Leder- oder Pflanzenschnüren, Steinen, Perlen, Holz und Knochen. Binsen wurden vielseitig genutzt. Sie dienten als Kinderspielzeug (Rasseln), es wurden daraus Vorratskörbe geflochten, aber man räucherte auch Lebensmittel wie Eier oder Fisch darin. Brennnesseln (nur rote) wurden zur Herstellung von Fasern verwendet, die ersten Kleidungsstücke webte man mit Nesselstoff. Schnüre wurden aus Lindenbaumrinde gemacht. Kräuter dienten als Gewürze oder Stimulans bei Riten und Festen, aber auch zur Heilung von diversen Beschwerden.
Bei den Sannerzer Landfrauen versteht man sich gut, es sind alle Altersgruppen vertreten. Dadurch ist eine intensive Zusammenarbeit möglich, die gerade an diesen Abend mit viel Spaß an der Sache zu einem tollen Erfolg führte. Auch eines der vier männlichen Fördermitglieder des Vereins wurde für die Vorbereitung der Gerichte, wie Apfelmus mit Mohnquark, Suppe mit Lachs, Apfel-Sellerie-Salat, Linseneintopf, Gierschgemüse, Brennnesseleintopf, Gerstenkugeln, Möhrengemüse) eingespannt.
Nach über drei Stunden gingen die Teilnehmer mehr als gut gesättigt, mit viel neuen Wissen und mit großem Respekt für die Lebensweise der frühen Vorfahren auseinander. (Walter Dörr) +++