Zu viele Anfragen und Anträge?
Legt die Bürgerliste BLE die Verwaltung lahm? - Rechtsberatung geht ins Geld
Fotos: O|N-Archiv
10.05.2019 / EICHENZELL -
Bürgermeister Dieter Kolb (parteilos) ist gemeinhin nicht als Choleriker bekannt. Wenn ihm in der Öffentlichkeit der Kragen platzt, muss schon etwas Gravierendes vorgefallen sein. So geschehen bei der letzten Gemeindevertretersitzung im Eichenzeller Schlösschen. Wie schon häufig in der Vergangenheit hatte ihm zuvor die Bürgerliste Eichenzell einen umfangreichen Katalog von insgesamt acht Fragen zu einem Thema vorgelegt. Dieses Mal ging es um die CO²-Bilanz der Gemeinde. Kolb lehnte die Beantwortung mit dem Hinweis darauf ab, dass er für die Beantwortung einen Fachberater einstellen müsse. Im Verlauf der hitzigen Auseinandersetzung verglich Kolb das Verhalten einiger BLE-Mitglieder mit 'Querulanten', worauf deren Fraktionsvorsitzender Gerhard Dehler konterte, das sei eine Frechheit, er solle sich schämen.
Kolb setzte aber noch einen drauf: er beklagte, dass seine Verwaltung durch die fortwährenden BLE-Anfragen und -Anträge sowie Stellungnahmen derart beschäftigt werde, dass sie nicht mehr zur Erledigung ihrer originären Aufgaben käme, darunter müssten die Bürger leiden. Er wolle seine Mitarbeiter dafür nicht verheizen. Zusätzlich seien die Sachbearbeiter noch dauernd mit den zwei von der BLE beantragten Akteneinsichtsausschüsse befasst, das Maß sei voll.
"Insgesamt waren es 15 Anträge und acht Anfragen aller Fraktionen in sieben Sitzungen, wobei ich betone, dass die Mehrbelastung meiner Verwaltung in der zurückliegenden Zeit nur im geringeren Teil auf diese Thematik zurückgeht", sagt Kolb. Deutlich mehr Aufwand verursachten die mittlerweile unzähligen Stellungnahmen zu mehreren Gerichtsverfahren beim Verwaltungsgericht, Normenkontrollverfahren beim Verwaltungsgerichtshof, ständige Eingaben bei der Kommunalaufsicht des Landkreises, Aufbereitung von Akten und Beantwortung von Fragenkatalogen für zwei Akteneinsichtsausschüsse sowie häufige direkte Anfragen meist per E-Mail direkt bei den Mitarbeitern", bilanziert Kolb.
Kommunalparlamente sind nun mal keine Kindergeburtstage - es geht naturgemäß durchaus öfter heftig zur Sache. Doch auffällig ist in Eichenzell, wie empfindlich der Bürgermeister mittlerweile auf die Vertreter der Bürgerliste reagiert. Um zu objektivieren, ob sein Verweis auf die ungerechtfertigte und unverhältnismäßig hohe Belastung seiner Verwaltung zutrifft, hat die Redaktion von OSTHESSEN|NEWS in den vergleichbaren Gemeinden Künzel und Petersberg nachgefragt, wie viele Anfragen und Anträge dort pro Sitzung gestellt werden.
Künzells Bürgermeister Timo Zentgraf (parteilos) hat großes Verständnis für seinen Eichenzeller Kollegen. "Ich bin deswegen auch schon mal ausgerastet", sagt er. Er habe deutlich darauf hingewiesen, dass es bei manchen Fragen, mit der sich seine Verwaltung befassen musste, nur eines einfachen Anrufs bedurft hätte, um sie zu beantworten. Mittlerweile habe sich die Zahl der Fragen und Anträge aber wieder auf ein normales Maß von zwei bis fünf pro Sitzung eingepegelt, damit könne er und seine Mitarbeiter leben.
Die Vorwürfe von Bürgermeister Kolb lässt die Bürgerliste naturgemäß nicht gelten: Tatsächlich versuche der die BLE in eine Querulantenecke zu stellen, das sei schlechter Stil. "Tatsächlich sind wir aktiver als andere und engagieren uns offensiv für die Gemeinde!" Den Finger in die Wunde zu legen und genau nachzufragen, sei nun mal die Aufgabe der Opposition sagt BLE-Fraktionschef Gerhard Dehler. Auch die Unterstellung, es ginge dabei nur um Profilierung, weist er entschieden zurück. "Wir wollen nur den Sachstand wissen - dürfte kein Problem sein, wenn der Bürgermeister seine Hausaufgaben macht", betont er. Keinesfalls wolle man der Verwaltung in den Rücken fallen. Man könne zu jeder Anfrage genau erklären, worauf sie abziele. Den Vorschlag Kolbs, manche Fragen doch einfach durch einen Anruf zu klären, weist die Bürgerliste ebenfalls zurück. Es gehe schließlich darum, eine verbindliche Antwort in der Öffentlichkeit zu bekommen, das sei aktive Politik, darauf sei man stolz.
Es sieht so aus, als müsse Dieter Kolb mit dieser Situation leben und sich auch in Zukunft mit jeder Menge detaillierter Fragen und Anträge auseinandersetzen - zweifellos ein Stück gelebte Demokratie. Besonders belastend sind aber die Akteneinsichtsausschüsse und langwierigen juristischen Auseinandersetzungen, die Zeit, Geld und Nerven kosten. Ob die BLE mit dieser Strategie im Sinne ihrer Wähler agiert, werden die spätestens bei der nächsten Kommunalwahl beantworten. (Carla Ihle-Becker)+++