Rundum positive Bilanz
Chef einer Bilderbuchgemeinde - Thomas Schreiner geht nach 36 Jahren
Foto: Julissa Bär
13.05.2019 / EHRENBERG -
"Sagen Sie Herr Schreiner, sind die Ehrenberger glücklicher als andere Rhönbewohner ?", lautet aus gutem Grund die erste Frage an den derzeit dienstältesten Bürgermeister Hessens - nun immerhin 36 Jahre am Stück im Amt. Das bringt den 68-Jährigen zum Strahlen: "Aber ja, das ist amtlich", sagt er. "Das war 2017 ja schließlich Top-Thema in den Tagesthemen bei Carmen Miosga - immerhin v o r einer Meldung über Trump!" Tatsächlich wurde in diesem Beitrag Ehrenberg als ein aus „dem Bilderbuch entsprungener Ort“ bezeichnet. Beeindruckend seien die zufriedenen und größtenteils glücklichen Einwohner, hieß es. Und wenn man mit dem scheidenden Bürgermeister spricht, scheint er tatsächlich rundum zufrieden mit seinem Leben zu sein. "Das hat halt einfach gepasst mit der Gemeinde und mir", bilanziert er.
Nicht genug mit dem Superlativ "Dienstältester Bürgermeister Hessens" - Schreiner war, als er am 27.Juni 1983 (noch bevor die Bürgermeisterdirektwahl eingeführt wurde) vom Gemeindeparlament mehrheitlich ins Amt gewählt wurde, mit gerade 32 Jahren auch schon der jüngste Bürgermeister des Bundeslands. Bis dahin war er nicht mal politisch besonders engagiert, sondern hatte brav die Verwaltungslaufbahn vom Versorgungsamt Fulda über Wiesbaden bis Kassel absolviert und sich einfach auf die ausgeschriebene Stelle beworben. Parteipolitik spielt für den Parteilosen keine Rolle: "Bei mir standen oder stehen nicht meine Karriere oder die Verwaltungsvorschriften, sondern immer die Menschen an erster Stelle!"
Dass es innerhalb der Gemeindeverwaltung zugeht wie in einer gut funktionierenden Familie, nämlich auf Augenhöhe, beweisen auch die stets geöffneten Türen beim Bürgermeister, der sich selbst als lockeren Typen bezeichnet. "Ich kenne so gut wie jeden in Ehrenberg und höre zu, wenn mir jemand seine Nöte schildert", sagt er. Insgesamt strahlt der 68-Jährige eine rundum zuversichtliche Weltsicht aus. Dabei hat Ehrenberg dieselben Probleme wie andere Kommunen auf dem Land auch: die Sterberate ist höher als die Geburtenrate, der Bäcker und Metzger haben zugemacht, und die fast 200 Arbeitsplätze von Köhler und Krenzer und Menz-Holz sind unwiederbringlich verloren. Dafür ist die Gemeinde wenigstens kein sogenanntes Donut-Dorf, in dessen Ortskern Leerstand alter Bausubstanz vorherrscht und die Leute alle am Ortsrand neu bauen. Im Gegenteil: mitten im Ort entsteht gerade ein Neubau, es wird verdichtet statt nach außen verlagert.
11 Tage im Koma nach schlimmem Sturz von der Leiter
Einen unfreiwilligen Beweis ihrer Funktionalität mussten seine Verwaltungsmitarbeiter vor zwei Jahren liefern. Thomas Schreiner hatte Urlaub und nutzte die Gelegenheit, bei sich daheim die Fenster zu streichen. "Dabei fiel mein Blick auch auf den Ortgang, der hätte es auch mal wieder nötig gehabt..." Kurzerhand holte er die Leiter und begann zu streichen. "An mehr kann ich mich nicht erinnern". Tatsächlich war er aus fast sechs Metern Höhe auf eine betonierte Fläche gestürzt und so schwer verletzt, dass er mit dem Rettungshubschrauber ins Klinikum geflogen werden musste. Dort versetzte man ihn für elf Tage ins künstliche Koma. Nach dem langen Klinikaufenthalt folgte noch die Reha - insgesamt war er viereinhalb Monate außer Gefecht gesetzt. "Weil meine Mitarbeiter eigentlich denselben Wissensstand haben wie ich selber, konnten sie mich während meiner Genesung auch gemeinsam mit dem Gemeindevorstand gut ersetzen", freut sich Schreiner rückblickend.
Um seinen bevorstehenden Ruhestand macht sich der dreifache Vater und sechsfache Opa keine unnötigen Gedanken: "Mehr Zeit für meine Familie, mehr wandern, mehr Tennis spielen, mehr verreisen", mehr Planung ist nicht nötig. Thomas Schreiner hat sich nach 36 Jahren guter Arbeit ein bisschen mehr Muße redlich verdient. (Carla Ihle-Becker) +++