Hauptversammlung in der Kreisverwaltung

Rhönknacker-Prototyp und Zuschüsse: 131 Erzeugerschlachthof-Aktien übrig

Hauptversammlung des Erzeugerschlachthofs Kurhessen
Fotos: Marius Auth

02.03.2019 / FULDA - Der Erzeugerschlachthof Kurhessen im Industriepark Fulda-West soll als Bauern- und Bürgerprojekt die Infrastruktur für Landwirte und damit die Versorgung mit hochwertigen regionalen Erzeugnissen sichern. In der "kleinen Aktiengesellschaft" bestimmen die Teilhaber: 71 Bauern, Gastronomen, Direktvermarkter, Vertreter weiterer Gruppen und Privatpersonen haben bereits Aktien gezeichnet, um die Zügel selbst in die Hand nehmen zu können, 131 von ursprünglich 500 sind noch übrig. Am Freitag wurden in der Kreisverwaltung zur Hauptversammlung Ideen für die nächste Zukunft präsentiert.


Aufsichtsratsvorsitzender Rudolf Bühler erläuterte das rechtliche Konstrukt: "Im Gegensatz zur normalen Aktiengesellschaft werden bei uns Namensaktien vergeben: Ein Aktienkauf ist nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats möglich - so ist eine feindliche Übernahme durch Großaktionäre nicht möglich. Im Gegensatz zur Genossenschaft, wo auf eine Person eine Stimme kommt, zählt die Anzahl der Aktien fürs Stimmgewicht. Ein Anteil kostet 500 Euro, als Dividende gibt es statt Geld ein jährliches Deputat an regionalen Fleisch- und Wurstspezialitäten. Erst durch diese Form der Aktiengesellschaft ist der Erzeugerschlachthof nach dem Marktstrukturgesetz förderfähig geworden - genau das war nämlich die Landwirtschaftliche Vieh- und Fleischvermarktung Fulda vorher nicht. Bis zu 40 Prozent bestimmter Investitionen, etwa in neue Brühtechnik, können dann durch Land, Bund und EU übernommen werden. Wir sind dafür aber auch verpflichtet, nur eigene Produkte zu verkaufen."

Landrat Bernd Woide betonte, dass zur Regionalentwicklung im ländlichen Raum auch gehöre, regionale Wirtschaftsketten aufrecht zu erhalten. Die vielfältige Aktionärsstruktur vom einfachen Bürger bis zum Lebensmitteleinzelhändler zeige, wie sehr die Menschen sich mit "ihrem" Schlachthof verbunden fühlten. Vorstandssprecher Sven Euen, selbst Rinderzüchter, erläuterte, was in den letzten Monaten an Arbeit geleistet wurde: Bei den Organisationsstrukturen wurde sich am Erzeugerschlachthof Schwäbisch Hall orientiert, den Bühler bereits im Jahr 2001 gegründet hat. Die Begutachtung der Immobilie im Industriepark Fulda-West brachte gute Nachrichten: "Der Schlachthof selbst ist in gutem und funktionsfähigen Zustand. Wir haben vor Kurzem Gespräche mit allen Einzelhändlern außer den Discountern geführt, da wurde echtes Interesse an der Zusammenarbeit signalisiert. Nach unserer Schätzung brauchen wir einen Durchsatz von rund 1.000 Schweinen in der Woche stabil, um eine echte Chance zu haben. Die haben wir bereits jetzt - langfristig sollen es rund 1.800 werden", so Euer.

Bühler erläuterte, wie in Schwäbisch Hall Bauern und Bürger einen Schlachthof übernommen hätten, der doppelt so groß wie der in Fulda ist: "Die Erzeugergemeinschaft bringt die Zuschüsse mit und bildet den Regiebetrieb. So soll das auch in Fulda laufen: Großschlächter, Metzger und andere nutzen die Einrichtung dann nach der Gebührenordnung." Der Schlachthof sei in Hessen mit seiner ausgedünnten Infrastruktur besonders wichtig und als regionaler Kompaktschlachthof ideal für Kleinunternehmen.

Dr. Jutta Anschütz und Ralf Schaefer von der Hochschule Fulda erläuterten, wie marktorientierte Lebensmittelentwicklung und Nachhaltigkeit zusammengehen können: Im "Regionalen Innovationszentrum Gesundheit und Lebensqualität Fulda" (RIGL Fulda), das mit 10 Millionen Euro gefördert wird, sollen unter anderem Lebensmittel entwickelt werden, die bestimmte Alters- und Zielgruppen ansprechen. Für das im Erzeugerschlachthof Kurhessen verarbeitete Fleisch wurden bei der Hauptversammlung fünf Produktideen präsentiert: der Rhönknacker, eine langzeitgereifte Salami für Wanderer, Rhönrindfleisch-Trockenchips als Snacks, Rinderpatties für Rhönburger für Gastronomen, gefüllte Rhönrinderröllchen und eine extrudierte Rindermettwurst. Rhönknacker, Patties und Rhönrinderröllchen sind förderfähig und werden an der Hochschule Fulda als Prototypen entwickelt werden - Vermarktungspartner aus dem Einzelhandel entscheiden dann, wie es weitergeht.

Vorstandsmitglied Klemens Fischer erklärte, wie die Bauern ethisch vom selbst geführten Schlachthof profitieren: "Die Wertschöpfung kommt wieder zur Landwirtschaft zurück. Sonst verkauf man an ein anonymes Unternehmen, das Produkte herstellt, die man vielleicht gar nicht unterstützt." Bisher würden neben Schweinen rund 120 Rinder in der Woche im Schlachthof verarbeitet, aber auch die Lämmer- und Ziegenschlachtung solle wieder nach Fulda kommen.

Dr. Hubert Beier, Geschäftsführer des Kreisbauernverbands Fulda-Hünfeld und Vorstandsmitglied, ging auf die Bio-Quote im Schlachthof ein: "85 Prozent des Fleischs ist bisher konventionell. Der Kreisbauernverband ist Bio gegenüber offen, allerdings müssen die Preise im Blick behalten werden. Wir können Landwirten nicht leichtfertig zum Umstieg auf Bio raten, da zählt der Marktbedarf." Im Rhein-Main-Gebiet, so Bühler, gebe es eine große Kaufkraft für Bio-Produkte. (Marius Auth) +++

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