Deutsch-jüdisches Happy End
Chicagoer Anwalt reist extra nach Fulda – bloß wegen zwei Tischdecken
Fotos: Privat
24.02.2019 / FULDA/CHICAGO -
Die aus Bad Salzschlirf (Landkreis Fulda) stammende Anja Listmann engagiert sich seit Jahrzehnten für die Aufarbeitung des Holocaust und die Versöhnung zwischen Deutschen und Juden im Fuldaer Land. Und Anja Listmann erzählt mir eine Geschichte, die so unglaublich ist, dass man sich beim Zuhören verwundert die Augen reibt:
Paul Römhild heiratet und bestellt die komplette Aussteuer im Sichelschen Textilwarenladen, darunter auch zwei handgearbeitete blau-weiße Tischdecken. Bevor Paul Römhild 1958 stirbt, sagt er zu seiner Familie: „Haltet die Decken in Ehren als Andenken an meinen besten Freund.“ – Am 8. Dezember 1941 war Hugo Sichel nach Riga deportiert worden. Man hat nie wieder was von ihm gehört …
Was folgte, war eine Hau-Ruck-Aktion. „Wir haben irgendwie die Enkel untergebracht, und dann bin ich mit meiner Frau Elizabeth und den Töchtern Karen und Jennifer für vier Tage nach Deutschland geflogen, um die Tischdecken abzuholen.“ Das war jetzt vor zwei Wochen. Selbst Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld ließ es sich nicht nehmen, diesem denkwürdigen Moment beizuwohnen.
Obwohl Ethan Bensinger als Anwalt eigentlich eher rational denkt, sei der Moment, als Hedi Schuhej die Decken aus dem Schrank holte, doch sehr emotional gewesen. „Ethan hat sie angesehen wie ein Weltwunder und immer wieder drüber gestreichelt“, sagt Hedi Schuhej. Was aber bringt jemanden dazu, über 7.000 Kilometer weit zu fliegen, bloß um zwei Tischdecken in Empfang zu nehmen? „Das ist doch klar“, sagt Ethan Bensinger. „Außer einem Foto von Hugo und seinem Vater vor dem Laden in der Karlstraße 42 sowie einem Dokument, das auflistet, wer was nach Hugos Deportation aus dessen Besitz in einer Auktion ersteigert hat, gibt es sonst nichts mehr von ihm. Für mich haben diese beiden Decken einen ganz besonderen Wert.“ (Matthias Witzel) +++