Im Herzen von Waldhessen…

Adler auf der Brust: Eintracht Fanclub Mückenstürmer wird 30 Jahre alt

Gänsehautmoment im Berliner Olympiastadion: Nach 30 Jahren holt die Eintracht vom Main den Pott zurück nach Frankfurt.
Archivfotos: privat / Stefanie Harth

20.02.2019 / BAD HERSFELD - Was haben die Adlerträger aus Bad Hersfeld nicht schon mit ihrer Eintracht vom Main gebangt, gehofft, gezittert und frenetisch gejubelt?! Gemeinsam haben die SGE-Fans mit ihrer Mannschaft Höhenflüge gefeiert und Rückschläge gemeistert – und stets als zwölfter Mann am Spielfeldrand die Motivationsspritze gegeben. Jetzt darf sich der Eintracht Frankfurt Fanclub (EFC) Mückenstürmer selbst preisen: der Verein aus der Lullusstadt zelebriert seinen 30. Geburtstag.



Deutschland 1989: Ende September wird Außenminister Hans-Dietrich Genscher in Prag die Ausreise Tausender DDR-Bürger in die Bundesrepublik verkünden, im November wird die Mauer fallen – und was geschieht in Bad Hersfeld? Dort trauen die Anhänger der Frankfurter Eintracht ihren eigenen Augen nicht: Vor zwei Monaten dem Abstieg in den Relegationsspielen gegen den 1.FC Saarbrücken nur knapp entronnen, erfrechen sich die Adlerträger auf einmal, den Bayern aus München Paroli zu bieten. Waldhessens Fußballidol Uwe Bein spielt den „tödlichen Pass“ und Jörn Andersen trifft wie er will. Aufbruchsstimmung für den EFC Mückenstürmer, der am 25. August gegründet wird.

„Tags darauf sind wir gemeinsam zum Heimspiel gegen Bayer 05 Uerdingen gefahren. Da die Bayern in Mannheim 0:1 verloren haben, waren wir alleiniger Tabellenführer. Wahnsinn!“, erinnert sich Gründungsmitglied Hans-Jürgen Vollmer. Der Friedloser ist noch der Einzige von der „alten Garde“.

Anekdoten gibt es zuhauf in den drei Dekaden der Mückenstürmer zu verzeichnen: Beispielsweise die vom Samstag, 4. November 1995. Heimspiel gegen die Münchner Bayern. Hans-Jürgen Vollmer kann es bis heute nicht begreifen: „Da werden wir im Rahmen des damaligen Coca-Cola-Cups ausgelost, um vor ausverkauftem Haus gegen einen anderen Eintracht Fanclub im Sechzehnmeterschießen anzutreten, und dann semmelt unser letzter Mann das Ding vom Strafraum zur Eckfahne. Das war natürlich oberpeinlich. Das anschließende 4:1 der SGE war doch dann nur noch Makulatur!“

1998 offenbart der Gerteröder Mike Reinhardt seinen grünen Daumen. Nach dem Aufstieg in Liga 1 „gönnt“ sich der heutige zweite Vereinsvorsitzende ein Stück des Rasens im Frankfurter Waldstadion, um es mit waldhessischer Erde verwachsen zu lassen. Das floristische Experiment gelingt, seitdem ist das gute Stück die Zierde im Garten der Reinhardts.

„2006 gewannen wir im Waldstadion 50 Liter Frankfurter Apfelwein der Kelterei Possmann. Die gute Frau Rauscher stieg einem unserer Jungs so zu Kopf, dass er vor der gesamten Belegschaft inklusive der Fußballfrauen im Sportlerheim des SV Niederjossa die Hüllen fallen ließ. Die Chippendales wären Waisenknaben dagegen gewesen“, platzt es aus einem EFC-Mitglied heraus.

Harald Karstens erstes Highlight ist das Stadtderby im Februar 2012, die Begegnung zwischen Eintracht Frankfurt und FSV Frankfurt. „Damals kickte die Eintracht mal wieder in der zweiten Bundesliga. In einer fairen und schnellen Partie siegte die SGE mit 6:1 souverän. Noch auf der Rückfahrt habe ich meine Mitgliedschaft beim EFC Mückenstürmer klargemacht“, resümiert der erste Vorsitzende des Vereins, der mittlerweile rund 100 Mitglieder zählt.

„Europa, knie nieder, wir kommen…“: Ob in Baku, Nikosia, Tel Aviv, Bordeaux, Porto (Europa League 2013/14) oder in Limassol, Rom und Charkiw (Europa League 2018/2019), (fast) überall haben die Mückenstürmer die Farben der Eintracht vertreten. „Eines unserer Mitglieder hat die Fahrt in den französischen Südwesten mit seinem uralten, klapprigen Ford Ka angetreten. Allein diese Geschichte wäre romanfüllend“, meint Mike Reinhardt augenzwinkernd.

Unvergessen bleibt das Pokalfinale am 19. Mai 2018 im Berliner Olympiastadion: Nach 30 Jahren holt die Eintracht vom Main den Pott zurück nach Frankfurt. Dank eines bärenstarken Ante Rebic, einer geschlossenen Mannschaftsleistung und eines unbändigen Siegeswillen schlagen die Adlerträger die schier übermächtigen Bayern aus München mit 3:1. „Das war mega“, sagen die Mückenstürmer unisono. „Wir waren in voller Besetzung mit von der Partie. Und am nächsten Tag sind wir direkt zum Frankfurter Römerberg durchgestartet, um gemeinsam mit Niko Kovac, Ante Rebic, AMFG14 (Alex Meier), ‚Spinne‘ Lukas Hradecky und Co. zu feiern.“

Aktuell hat der EFC Mückenstürmer seine Erinnerungen an das Herzschlagfinale aufgefrischt und Gänsehautmomente noch einmal aufleben lassen: Mit 110 Jungs und Mädels haben die Eintracht-Anhänger das Kinocenter „Cineplex“ in Bad Hersfeld aufgemischt, um sich gemeinsam die Fußball-Doku „Die Rückkehr des Pokals“ anzuschauen. Vorteil: ein Happy End ist garantiert. (Stefanie Harth) +++

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